Impuls des verstorbenen Bischofs

Reinhard Lettmann über die Achtsamkeit füreinander

Achtsamkeit füreinander bedarf der Geduld miteinander. Geduld und Langmut gehören zu den Gaben, die Gottes Geist uns schenkt.

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Am 16. April 2013 starb Bischof Reinhard Lettmann. Aus dem Jahr 2004 stammen Lettmanns Impulse zum Thema „Wachsam für den Augenblick“.

Achtsam sein füreinander bedeutet: Nicht blind und teilnahmslos nebeneinander her leben, sondern einander wahrnehmen, und zwar nicht nur in der Weise, dass es uns gibt, sondern in Feinfühligkeit und Einfühlungsvermögen für das, was uns bewegt, was uns trägt, was uns froh macht oder bedrückt.

Eine Bitte im Stundenbuch lädt ein, um diese Wachsamkeit füreinander zu beten: „Gott der Geduld und des Trostes, gib uns, dass wir achtsam füreinander sind.“ Diese Bitte legt nahe, dass Achtsamkeit füreinander vor allem auch bedeutet, Geduld miteinander zu haben und einander zu trösten.

Achtsamkeit füreinander bedarf der Geduld miteinander. Geduld und Langmut gehören zu den Gaben, die Gottes Geist uns schenkt: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22). Diese Gaben sollen unsere Achtsamkeit füreinander bereichern.

 

Fundament des Lebens

 

Zwei Worte des Apostels Paulus können uns helfen, die Achtsamkeit füreinander inhaltlich zu füllen: „Seid demütig, friedfertig und geduldig. Ertragt einander in Liebe und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4,2-3).

„Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Mitleid, Geduld. Ertragt euch gegenseitig und vergebet einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr“ (Kol 3,12-13).

 

Grundvertrauen

 

„Gott der Geduld und des Trostes“, so beten wir. Achtsamkeit füreinander lädt uns ein, einander zu trösten. Was kann Trost in diesem Zusammenhang bedeuten? Die Worte „Trost“ und „trösten“ sind abgeleitet von einer sprachlichen Wurzel, die auch den englischen Worten „to trust“ und „true“ zugrunde liegt. Sie weisen auf die Bedeutung des Grundvertrauens für das menschliche Leben hin, auf das Fundament, das unser Leben trägt.

Achtsam sein füreinander im Blick auf den Gott des Trostes bedeutet achtsam zu sein für die Grundlage, auf der jemand sein Leben baut, achtsam zu sein, wenn jemand die tragende Mitte seines Lebens verliert, achtsam zu sein, wenn jemand sein Vertrauen zu den Mitmenschen, zum Leben und vor allem zu sich selbst verliert.

Achtsam sein füreinander bedeutet aber nicht nur wahrnehmen, sondern darüber hinaus auch versuchen, dem anderen zu helfen, wieder Mut zu fassen, wieder Vertrauen zu gewinnen, Vertrauen zum Leben, zu sich selbst, zu den Mitmenschen und Vertrauen zu Gott.

 

Mit Anmut und Glanz

 

In diesem Zusammenhang gewinnt ein Wort von Gregor von Nazianz, einem großen Bischof der alten Zeit (gestorben 93), Bedeutung. Er sagt: „Was widerwillig und unter Zwang geschieht, hat nicht Anmut und Glanz.“ Verdrossen, widerwillig, unter Zwang: Man muss vielleicht etwas aus Anstand tun, um sein Gesicht nicht zu verlieren, weil es so üblich ist, aber das Herz ist nicht dabei. Es ist einem eher lästig und unangenehm. In solchen Fällen ist nichts zu spüren von Anmut und Glanz. Wenn hingegen etwas Gutes getan wird mit Anmut und Glanz, fällt dieses Licht auch auf den Empfänger. Es achtet und ehrt ihn in seiner menschlichen Würde.

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