Impuls des verstorbenen Bischofs

Reinhard Lettmann über die Feier des Alltäglichen

Welchen Grund haben wir, das Alltägliche zu feiern? Jeder Tag ist ein Teil unseres Lebens. Wie das Leben als Ganzes Geschenk Gottes ist, ist es auch jeder Tag dieses Lebens.

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Am 16. April 2013 starb Bischof Reinhard Lettmann. Aus dem Jahr 2004 stammen Lettmanns Impulse zum Thema „Wachsam für den Augenblick“.

„Feier des Alltäglichen“ – ein Wort in den Mitteilungen der Jerusalem-Gemeinschaften von St. Gervais in Paris. Es wird in diesem Zusammenhang nicht näher erklärt, was damit gemeint ist. Doch das Wort bleibt im Gedächtnis. Man kommt immer wieder darauf zurück. Es geht eine gewisse Faszination davon aus. Was mag damit gemeint sein? Wie sollen wir es deuten?

Feier des Alltäglichen: Kann man das Alltägliche feiern? Es macht ja gerade den Alltag aus, dass er nicht Feiertag ist. Das Feiern hebt einen Tag aus seiner Alltäglichkeit heraus: als Feiertag, als Festtag, als Sonntag.

 

Geschenk Gottes

 

Welchen Grund haben wir, das Alltägliche zu feiern? Jeder Tag ist ein Teil unseres Lebens. Wie das Leben als Ganzes Geschenk Gottes ist, ist es auch jeder Tag dieses Lebens. Jeder Tag ist ein Tag in der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen, auch in seiner Heilsgeschichte mit jedem von uns. Alltäglich: Das klingt so bedeutungslos, in Wirklichkeit jedoch ist es gefüllt mit Inhalt, denn im Alltäglichen leben wir unsere Geschichte mit Gott.

 

Tag für Tag - grau in grau

 

„Feier des Alltäglichen“: Was heißt feiern? Im Feiern erheben wir uns über den Augenblick und versuchen, unser Leben in einem weiteren Horizont zu sehen. Das tut uns gut, denn es befreit uns aus Zwang und Hektik und blindem Dahinleben.

Wenn wir das Alltägliche feiern, verliert es ein wenig vom Grau des Alltags. Im kirchlichen Stundenbuch beten wir: „O Gott, verwandle unsere Trauer in Freude, das Grau unserer Tage in einen Tag des Festes.“

Liegt über unserem Alltag ein grauer Schleier, ein Schleier des täglichen Einerlei? Tag für Tag das Gleiche: dieselben Menschen, dieselben Aufgaben, dieselbe Arbeit, dieselben Fragen und Probleme. Kann das nicht langweilig und ermüdend werden? Tag für Tag: Das sind nicht die Sternstunden, auf die wir warten, über die wir uns freuen, an die wir noch lange zurückdenken und von denen wir zehren. Tag für Tag – grau in grau!

Unser Gebet spricht im Zusammenhang mit dem Grau unserer Tage von Trauer. Es ist nicht so sehr an Trauer aus einem konkreten Grund gedacht, sondern eher an eine allgemeine Traurigkeit, die das Grau in Grau der Tage mit sich bringt, die „Traurigkeit dieser Zeit“.

 

Fenster im Alltag

 

Von dieser Traurigkeit spricht ein Mariengebet: „Herr und Gott, auf die Fürsprache der jungfräulichen Mutter Maria schenke uns die Gesundheit des Leibes und das Heil der Seele. Nimm von uns die Traurigkeit dieser Zeit und führe uns zur ewigen Freude.“

Wir richten die Bitte an Gott, unsere Trauer in Freude zu verwandeln und das Grau unserer Tage in einen Tag des Festes. Was können wir unsererseits dazu tun? Wir können der Einladung folgen: „Tag für Tag lasst uns den Herrn suchen.“ Die Suche nach dem Herrn öffnet Fenster in unserem Alltag. Fenster, die uns über den Alltag hinaus schauen lassen auf das Wesentliche. Sie lassen uns etwas ahnen vom Glanz, der im Alltäglichen verborgen ist, vom Glanz, der dem Alltäglichen innewohnt, weil es die Geschichte unseres Lebens und unseres Heils ausmacht.

„Feier des Alltäglichen“ -: Es tut uns gut, von Zeit zu Zeit von diesem Wort her Licht in unseren Alltag fallen zu lassen.

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