Entsetzen über AfD-Ergebnis – Freude über hohe Wahlbeteiligung

Religionsvertreter: Große Herausforderungen nach Bundestagswahl

Angesichts des Wahlergebnisses für die AfD bei der Bundestagswahl sehen Religionsvertreter große Herausforderungen und äußern sich teils entsetzt.

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Angesichts des Wahlergebnisses für die AfD bei der Bundestagswahl sehen Religionsvertreter große Herausforderungen und äußern sich teils entsetzt. „Leider sind unsere Befürchtungen wahr geworden: Eine Partei, die rechtsextremes Gedankengut in ihren Reihen duldet und gegen Minderheiten in unserem Land hetzt, ist jetzt nicht nur in fast allen Länderparlamenten, sondern auch im Bundestag vertreten“, erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, am Sonntagabend in Berlin.

„Ich erwarte von unseren demokratischen Kräften, dass sie das wahre Gesicht der AfD enthüllen und die leeren, populistischen Versprechen der Partei entlarven“, so Schuster weiter. „Ein Ziel sollte alle demokratischen Parteien vereinen: Den Wählern zu verdeutlichen, dass die AfD keine Alternative ist, damit sie dort landet, wo sie hingehört - unter der Fünf-Prozent-Hürde!“

 

„Dieses Ergebnis ist ein wahr gewordener Alptraum“

 

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, zeigte sich „in großer Sorge“ um die Demokratie. „Dieses Ergebnis ist ein wahr gewordener Alptraum, eine historische Zäsur.“ Der Einzug der AfD in den Bundestag mit laut vorläufigem amtlichem Endergebnis 12,6 Prozent verändere die politische Debatte und Kultur und beeinträchtige das Ansehen Deutschlands in der Welt. Es sei eine Katastrophe, „dass es den demokratischen Kräften nicht gelungen ist, die rechtsextremen Hetzer zu entzaubern“.

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, erklärte in New York, es sei „abscheulich“, dass die AfD nun die Möglichkeit habe, im deutschen Parlament ihr „widerwärtiges“ Programm anzupreisen. Er bezeichnete die Partei als „schändliche, rückschrittliche Bewegung, die das Schlimmste der deutschen Vergangenheit in Erinnerung ruft und geächtet werden sollte“. Zugleich gratulierte er Angela Merkel (CDU) und nannte sie eine „wahre Freundin Israels und des jüdischen Volkes“. Die CDU/CSU war stärkste Kraft geworden.

 

Bedford-Strohm: Wahlergebnis ist Weckruf

 

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, wertet das Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl als „Weckruf für alle, denen das friedliche und solidarische Miteinander in einem weltoffenen Deutschland am Herzen liegt“. Rückblickend auf den Wahlkampf bilanzierte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten am Montag in Hannover: „Das Niederbrüllen von Rednern bei Kundgebungen und persönlich beleidigende Parolen waren erschreckende Ausdrucksformen eines Mangels an politischer Kultur.“

Ausgrenzende und hasserfüllte Stimmen dürften „nicht das Leben in unserem Land vergiften“. „Es bleibt abzuwarten, ob eine zerrissene Partei wie die AfD es schafft, sich konstruktiv in den parlamentarischen Arbeitsprozess auf Bundesebene einzubringen und eine Trennlinie zu den radikalen Rechtsaußen-Kräften in der Partei einzuziehen“, sagte Bedford-Strohm. Erfreut äußerte sich der EKD-Ratsvorsitzende über die im Vergleich zur Abstimmung vor vier Jahren gestiegene Wahlbeteiligung.

 

Sternberg: 87 Prozent der Deutschen haben die AfD nicht gewählt

 

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, sprach im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) von einem „bitteren Abend“ und ergänzte: „Man muss bedenken, wir sind in einem europäischen Gleichschritt: In fast allen Ländern gibt es solch rechtsradikale Parteien. Es bleibt festzustellen: 87 Prozent der Deutschen haben die AfD nicht gewählt.“

Hamburgs Erzbischof Stefan Heße bezeichnete die Wahl als einen Erfolg der Demokraten. „Die hohe Wahlbeteiligung zeigt die solide Verfassung unserer Demokratie. Ich hoffe für die neue Legislaturperiode auf eine gute und konstruktive politische Kultur.“ Aus seiner christlichen Perspektive müssten „soziale Gerechtigkeit und die Integration der Menschen, die zu uns kommen, einen festen Platz auf der politischen Agenda haben“.

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, forderte: „Wir müssen deutlich machen, dass eine vielfältige und offene Gesellschaft keine Belastung ist, die durch Zuwanderung entsteht, sondern vielmehr eine Chance, um überkommene Verfahrensweisen und Systeme mutig zu überdenken und Chancengleichheit aller in Deutschland lebenden Menschen zu ermöglichen.“

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