Statik-Probleme verlängern die Arbeiten bis mindestens Ostern

Restaurierung des Domportals in Münster verzögert sich

Bei der Restaurierung des großen Südportals am münsterschen Paulusdom sind Statik-Probleme aufgetaucht. Deshalb bleibt das „Paradies“ noch mindestens bis Ostern 2020 eingerüstet.

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Der neue Sandsteinboden hat schon wieder etwas gelitten: Der Weg von der kupfernen Portaltür bis zu den beiden Holztüren, durch die Besucher das Innere des Paulusdoms betretem, zeigt bereits deutliche Spuren vieler Schuhe. „Abrieb“, sagt Sabrina Friedrich. „Das war zu erwarten.“ Dass die 180 Quadratmeter große Fläche in der südlichen Vorhalle des Doms bereits drei Monate nach ihrer Erneuerung gar nicht mehr so neu aussehen, ist für die Bauingenieurin aus der Abteilung Bauerhaltung im Bischöflichen Generalvikariat auch ein gutes Zeichen. „Es zeigt, dass das Paradies von den Menschen gern wieder genutzt wird.“

Das Paradies, wie der spätgotische Vorbau am Westschiff des Doms genannt wird, ist derzeit eine Baustelle – eingerüstet und in Planen gehüllt. Nur der Eintritt vom Domplatz durch die Kupfertür ist derzeit freigeräumt worden. Wenn im Februar die Restaurierungsarbeiten wieder anlaufen, wird aber auch dieser Durchgang geschlossen sein. Nur an den Wochenenden, wenn die Handwerker frei haben, die Touristen strömen und die sonntäglichen Gottesdienste gefeiert werden, soll der Zutritt möglich sein.

 

Sandsteinpfeiler lösten sich von der Mauer

 

Eigentlich sollte das alles seit dem vergangenen Oktober kein Thema mehr sein. Aber als man im Juni 2019 begann, sowohl den Innenraum als auch die äußeren Steine zu begutachten, wurde sehr schnell deutlich, dass es mit moderaten Ausbesserungen nicht getan sein würde. Die Statik der Front machte Probleme. „Als wir an die Instandsetzung einzelner Steine gingen, war zu erkennen, dass sich die beiden Sandsteinpfeiler der Fassade von der Mauer dahinter gelöst hatten“, sagt Friedrich. „Deshalb mussten wir bei den Arbeiten auch an das Innenleben gehen.“

Heißt: Die Fassade wurde an einer aufwändigen Stahlkonstruktion im Inneren verankert. Viele Arbeiten mussten deshalb verschoben werden und können jetzt erst erledigt werden. Auch die Kosten stiegen von den veranschlagten 500.000 Euro auf 650.000 Euro. Das Domkapitel als Bauherr konnte sich aber über einen Zuschuss von 93.000 Euro von der Denkmal-Förderung NRW freuen.

 

Es gab keine Alternative

 

Der Eingriff in die Bausubstanz ist massiv, aber unumgänglich, sagt Friedrich. „Da gab es keine Alternative.“ Bröckelnder Putz, herabstürzende Steine oder im schlimmsten Fall ein unbegehbares Portal hätten die Folgen sein können. Vorauszusehen war das von außen nicht. „Wir sprechen da von einer lebendigen Statik.“ Wo aus der jahrhundertealten Bauchgeschichte Zahlen und Zeichnungen fehlen, wird vieles erst deutlich, wenn man es freilegt. „Wir müssen dabei schauen, wie die Bausubstanz reagiert, wenn wir mit ihr arbeiten.“ Gerade mit den Statikern gab es viele Ortstermine.

Für Friedrich ist das Paradies ohnehin kein Konstrukt nur aus Daten und Fakten. „Da steckt viel Geschichte hinter, vor der ich ehrfürchtig bin.“ Am Ende aber ist Friedrich Ingenieurin und keine Theologin, sagt sie. „Dann muss ich die Ehrfurcht ausblenden, dann geht es allein um die Bausubstanz.“ Wenngleich sie immer wieder an den Glaubenshintergrund des Gebäudes erinnert wird. Gerade wenn sie auf dem Gerüst den vielen kleinen Verzierungen an den Fialen, jenen spätgotischen Türmchen auf dem Portal, so nah kommt wie sonst nie. „Kleine Figuren, jede anders, von unten kaum zu sehen.“ Da gibt es geflügelte Fabelwesen, Fratzen und Fantasiegestalten. Friedrich muss lachen. „Wie kleine katholische Kobolde.“

 

Innenraum ist fertig und begehbar

 

Wann das Gerüst wieder abgebaut wird, ist noch offen. Optimistisch geschätzt könnte es zu Ostern so weit sein. „Es kann sich aber auch bis in den Sommer ziehen“, sagt Friedrich. Der Innenraum ist zwar so gut wie fertig – der Boden erneuert, die Figuren gereinigt und die Malerarbeiten erledigt. Lediglich die Fenster und ihre Schutzverglasung stehen noch auf der To-Do-Liste. Draußen laufen im Februar die Arbeiten aber erst richtig an, die eigentlich schon längst erledigt worden sein sollten: Stein für Stein wird auf seine Qualität geprüft, gegebenenfalls bearbeitet oder ausgewechselt.

Wie wichtig das Portal den Menschen ist, zeigt der Abrieb ihrer Schuhe auf dem Sandstein. „Die anderen Eingänge des Doms sind vielen nicht so bekannt“, sagte Friedrich. Deshalb ist der kleine Durchgang durch die Plane vom Domplatz aus derzeit so wertvoll. Noch wertvoller wird der Weg von außen durch das Portal sein, wenn die Plane endlich ganz entfernt werden kann. Denn dann ist der Blick auf das Paradies wieder frei – wie schon seit mehr als 500 Jahren.

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