Ehemaliger Wallfahrts-Rektor von Kevelaer

Richard Schulte Staade feiert 85. Geburtstag

Domkapitular em. Richard Schulte Staade wird am 25. Januar 85 Jahre alt. Während seiner 30 Jahre als Rektor der Wallfahrt wuchs Kevelaer zum größten Wallfahrtsort Nordwest-Europas.

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„Mir geht es gut! Ich bin happy, wie man auf Neudeutsch sagt.“ Aufrecht und mit wachen Augen steht Richard Schulte Staade in der Tür seiner Weseler Wohnung. Er winkt und geht ins Wohnzimmer voraus. Er sei gesund und könne sein Leben noch einmal an sich vorbeiziehen lassen. Das sei ein großes Glück, meint der Geistliche, der am 25. Januar sein 85. Lebensjahr vollendet. Er ist dankbar für die geschenkte Zeit.

Anhand der vielen Bilder, Bücher oder Artikel, die in der Wohnung verteilt sind oder gerahmt an den Wänden hängen, lässt er die Vergangenheit Revue passieren. „Hier fing alles an“, erzählt er und zeigt auf ein Gemälde, das die Ufer der Ruhr zeigt. „Schulte am Gestaade“, erläutert er seine Namensherkunft. „Und bitte mit zwei ›a‹, das ist die katholische Variante.“ Und während er das sagt, lächelt er verschmitzt. „Es gibt auch die Linie mit einem ›a‹. Die ist evangelisch.“

 

Ein starkes Wort

 

Schulte Staade wird 1932 in Werden an der Ruhr geboren und wächst bei seinen Eltern auf einem Bauernhof auf. „Wir waren immer freie Bauern“, sagt er stolz. Das sei sogar 1843 in einem Verfahren gegen den Freiherrn Vittinghoff Schell festgestellt worden. 1936 wird die Familie wegen der sich ausdehnenden Industrie umgesiedelt. Seine Mutter macht ihrem Mann klar, dass sie nur in Westfalen bleiben oder ins Rheinland ziehen würde. Damit sind die Pläne, im Osten des Reiches zu siedeln, Makulatur. Ein gewichtiges Wort! Die Familie zieht auf einen Hof nach Lüdinghausen. Mit 53 Kindern geht er in eine Klasse. „Aber wir haben viel gelernt“, sagt er.

In der Nazizeit kommt die Gestapo ins Gymnasium und nimmt die Jungen in ein Wehrertüchtigungslager mit. Sie lernen, stramm zu stehen und zu erdulden, dass ihr Bischof Clemens August beschimpft wird. Der Leiter der Schule und sein Stellvertreter werden nach Dachau transportiert. „Die elterliche Erziehung und der Zusammenhalt in der Nachbarschaft hat uns widerstehen lassen. Vielleicht wären wir sonst mit fliehenden Fahnen übergelaufen“, sinniert Schulte Staade.

 

Leidenschaftlicher Landwirt

 

Er bricht nach dem Krieg das Gymnasium ab. Mit Leidenschaft besucht er eine landwirtschaftliche Fachschule und erzielt früh einen großen Erfolg. Im März 1955 wird er auf einer Auktion in der Halle Münsterland für den besten Bullen ausgezeichnet. „Das passiert einem Bauern nur ein Mal im Leben – und mir schon als jungem Mann“, erzählt er.

Dieser Höhepunkt ist gleichzeitig Wendepunkt. „Ich kam ins Schleudern. Wenn das der Höhepunkt des Lebens ist, muss ich alles auf den Prüfstand stellen, sagte ich mir.“

Schulte Staade trifft sich mit Bischof Michael Keller. „Der hat mich auf die richtige Linie gebracht. Er nahm mein Anliegen ernst und hat gleich Nägel mit Köpfen gemacht. Es muss etwas in mir geglimmt haben.“ Viel schwieriger war es, seine Entscheidung den Eltern mitzuteilen. Heilig Abend 1955 berichtet er ihnen von seinen Plänen. „Es herrschte zwei Tage Schweigen im Wald“, erinnert er sich. Wieder ist es die Mutter, die schnell begreift, dass diese Entscheidung von einschneidender Bedeutung ist. „Wenn es dein Wille ist, werden wir noch in diesem Jahr den Hof verpachten“, sagt sie.

 

Nie der Rhein

 

Auf dem Marianum in Neuss macht Schulte Staade sein Abitur nach und studiert in Münster und München Theologie und Kunstgeschichte bei Professor Hans Sedlmayr. Eine Leidenschaft, der er später in Kevelaer frönen kann und wird. Er wird 1963 zum Priester geweiht und zunächst Kaplan in Bocholt und Coesfeld. 1966 wird er Bezirksvikar für das bischöfliche Kommissariat in Wesel und 1971 Domvikar in Münster. Als Domvikar widmet er sich im Bischöflichen Generalvikariat den Themen Ehe und Familie.

1975 wechselt er als Pfarrer nach St. Marien Kevelaer und wird Wallfahrtsrektor. Und das, obwohl er immer gesagt hat: „Nie der Rhein.“ Doch er lernt die Region lieben. Als junger Seelsorger gibt er der Wallfahrt neue Impulse. Lag die Zahl der Pilger vorher bei 250 000, wächst sie in den kommenden Jahren auf mehr als das Dreifache. Er organisiert das Priesterhaus um und drückt dem Kapellenplatz mit den Umbauten seinen Stempel auf. Um die Jahrtausendwende besuchen 50 Bischöfe aus aller Welt die Marienstadt, kommen 800.000 Pilger, übernachten 12.000 Gäste im Priesterhaus und werden 5.000 Gottesdienste gefeiert.

 

Seine Handschrift in Kevelaer

 

Als man 1988 die Ausmalung der Marienbasilika nach den alten Plänen von Friedrich Stummel fortsetzte, war es Schulte Staade, der dem Kirchenvorstand und dem Rest der Welt klar machte: „Ein Firmament ist dunkelblau und hat goldene Sterne.“ Um auch die letzten Kritiker zu überzeugen, organisiert er eine Fahrt nach Paris. In der Saint Chapelle zeigt er die Ideen Stummels am Objekt. Ihm ist es zu verdanken, dass die Seifert-Orgel 1976 umfassend restauriert wurde. Er wollte die Kirche – Bau, Ausmalung und Orgel – aus einem Guss erhalten. „Schulte Staade ist derjenige, der in 30 Jahren Kevelaer durch die Kunstwerke noch anziehender gemacht hat“, sagt der frühere Regionalbischof Heinrich Janssen über ihn. „Kevelaer trägt seine Handschrift.“ Er möchte den Menschen mit der Ausgestaltung etwas schenken: „Sie sollen hier schon den Himmel erleben.“

Das größte Ereignis ist der Papstbesuch. Am 2. Mai 1987 landen um 8.45 Uhr die Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes im Hülsparkstadion. Ein historischer Augenblick: der Papst in der Marienstadt. Diese Geschichte ist von langer Hand eingefädelt. Der Besuch ist den guten Kontakten des Wallfahrtsrektors zu verdanken, vor allem zu Kardinal Joseph Höffner. Eigentlich sollte der Papst schon 1979 kommen. Doch damals kamen andere Ort zum Tragen. „Das kriegen wir schon hin“, sagte Höffner, und sein Versprechen erfüllt sich 1987.

Noch genau erinnert sich Schulte Staade, wie er den Papst auf dem Kapellenplatz gegen das Protokoll kurz am Arm fasste und flüsterte: „Sinistra, sinistra“. Links hatten sich viele Messdiener platziert, die den Papst sehen sollten. „Eigentlich darf man den Papst ja nicht anfassen, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen“, schmunzelt er. An den Besuch denkt er gern zurück.

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