Joachim Frank über die vatikanische Erklärung zur Reformdebatte in Deutschland

Roms Angst vor Machtverlust ermutigt den Synodalen Weg

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Es wäre ein Fehler, den Treffern aus dem Vatikan nach der jüngsten Erklärung zum Synodalen Weg ausweichen zu wollen, indem man jetzt den Anspruch des Reformprojekts relativiert oder kleinredet, sagt der Kölner Journalist Joachim Frank in seinem Gast-Kommentar.

Es geht heiß her in Rom. Am 21. Juli, als das Presseamt des Heiligen Stuhls in seinem täglichen Bulletin eine „Erklärung“ zum Synodalen Weg herausgab, waren es mittags 36 Grad. Die anonymen Verfasser des Textes im Vatikan und ihre Hintermänner werden sich trotzdem wie Schneekönige gefreut haben. 

Denn in Deutschland lösten ihre zwölf Zeilen genau die beabsichtigten Reaktionen aus: Genugtuung bei denen, die den Reformkurs von Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) von jeher für einen Holzweg halten; Frustration, Unwille und Zorn bei denen, die sich immer noch nicht mit der theologischen, spirituellen und moralischen Selbstverstümmelung ihrer Kirche abfinden wollen. 

Pappkamerad für kirchenpolitische Schießübungen

Der Autor
Joachim Frank ist DuMont-Chefkorrespondent und Mitglied der Chefredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP) und Berater im Synodalforum I „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“.

Mit minimalem Aufwand maximale Wirkung erzielen – Macchiavellisten-Herz, was willst du mehr? Ein Drittel der Erklärung aus Rom ist ein Papst-Zitat. Nichts an dem (dürftigen) Inhalt ist neu, nichts daran im Kern strittig. Mit ihrer Warnung vor kirchenspalterischen Beschlüssen zu verpflichtenden neuen Strukturen oder Lehren baut die Erklärung einen Popanz auf, einen Pappkameraden für kirchenpolitische Schießübungen.

Dennoch wäre es ein Fehler, den Treffern ausweichen zu wollen, indem man jetzt den Anspruch des Synodalen Weges relativiert oder kleinredet. Als der Kirchenrechtler Thomas Schüller gewohnt scharfzüngig die formale Relevanz des Synodalen Weges bestritt („kirchenrechtliches Nullum“), war die Aufregung derselben Kreise groß, die jetzt fast freudig die Statuten zitieren und beteuern, der Synodale Weg wolle niemanden zu rein gar nichts verpflichten.

Erklärung arbeitet sich einzig an Machtfrage ab

Natürlich beansprucht der Synodale Weg Verbindlichkeit für seine Ergebnisse. Und sicher zielt er darauf, kirchliche Lehren und Strukturen zu ändern, die spätestens der Missbrauchsskandal als toxisch, sklerotisch – mit einem Wort: als lebensfeindlich – erwiesen hat. Diese Zentralperspektive aber geht der römischen Erklärung völlig ab. Sie arbeitet sich einzig an der Machtfrage ab: Wer ist „befugt“? Was ist „zulässig“?

Der Synodale Weg, das ist allen dort klar, kann selbst keine neuen Lehren verkünden oder neue Strukturen errichten. Aber ihnen den Weg bereiten: Das kann er schon. Und genau das fürchten die namenlosen Schreiber. Es ist erkennbar die Angst vor Macht- und Kontrollverlust, die sie bei ihrem „Versuch eines Machtworts“ (Julia Knop) treibt. Den Synodalen Weg aber treiben sie damit an, couragiert voranzuschreiten. Denn eine machtversessene Kirche ist weder die Kirche Jesu Christi noch eine Kirche für die Menschen.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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