Marie Bußmann und Juliane Kaiser wurden mit dem Völkermord vor 25 Jahren konfrontiert

Ruanda – Was zwei Freiwillige aus dem Bistum Münster erleben

Marie Bußmann aus Ahaus und Juliane Kaiser aus Ermke-Molbergen bei Cloppenburg arbeiten derzeit über den Freiwilligendienst des Bistums Münster ein Jahr in Ruanda. Dort wurde jetzt des Völkermords vor 25 Jahren gedacht.

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Die Spuren sind immer noch sichtbar, zumindest in Herzen der Bewohner von Kigali, der Hauptstadt Ruandas. Es ist das traurigste und zugleich blutigste Kapitel in der Geschichte des ostafrikanischen Landes: Beim Völkermord 1994 wurden von April bis Juli nach Schätzungen etwa 800.000 bis eine Million Menschen getötet.

Vor den Augen der Weltöffentlichkeit brachten militante Angehörige der Hutu-Mehrheit innerhalb von 100 Tagen Tutsi und oppositionelle Hutu um. Nachbarn töteten Nachbarn, Freunde töteten Freunde, selbst vor den eigenen Familienmitgliedern machten die Täter nicht halt.

 

Was haben die Menschen in Ruanda erlebt?

 

Marie Bußmann, 19, (links) aus Ahaus und Juliane Kaiser, 21, (rechts) aus Ermke-Molbergen.
Marie Bußmann (links) aus Ahaus und Juliane Kaiser (rechts) aus Ermke-Molbergen. | Foto: privat

Die beiden jungen Frauen aus dem Bistum Münster, die noch bis August diesen Jahres ein freiwilliges, soziales Jahr in einer Einrichtung für Behinderte in Kigali absolvieren, wollten sich der Geschichte Ruandas vorbehaltlos nähern: „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, vor unserem Auslandsjahr keine der Filme zu schauen, die es über den Genozid gibt, wie ,Hotel Ruanda' zum Beispiel. Wir haben uns zwar vor unserer Ankunft im letzten Jahr Informationen durchgelesen, aber wir wollten, dass uns die Menschen hier in Ruanda ihre Geschichte erzählen“, schildern Juliane Kaiser und Marie Bußmann per E-Mail auf Anfrage von „Kirche+Leben“.

Besuche im Gedenk-Center in Kigali und Gespräche mit Freunden haben den Deutschen diesen Teil der Vergangenheit nahegebracht: „Viele haben Fragen zugelassen oder von selbst über Erfahrungen in der Familie gesprochen.“ Die staatliche „Memorial-Week“ („Erinnerungs-Woche“) wurde mit Reden, Gebeten und das Erleuchten des Gedenkfeuers begangen.

 

Wenn Hunderttausende in Ruanda trauern

 

An sogenannten „Walks“ („Spaziergängen“) zu verschiedenen Gedenkstätten nahmen Hunderttaussende teil: „Die Menschen trauern sehr und die Stimmung ist gedrückt. In den ersten Tagen war der Alltag zurückgeschraubt. Es fuhren keine öffentlichen Verkehrsmittel, Läden sind geschlossen und viele gehen nicht arbeiten, da sie in ihren Familien trauern. Vor zwei Jahren war es in der ganzen Woche so, dieses Jahr konnten sich die Menschen aussuchen, wie lange sie trauern wollten“, berichten Juliane Kaiser (21) und Marie Bußmann (19).

„In Ruanda ist es auch üblich, dass die Musik in Bars und Restaurants lauter ist als in Deutschland, doch während der ganzen Woche blieben sie geschlossen und es durfte keine Musik gespielt werden.“

 

Ruanda: bevölkerungsreichstes Land Afrikas

 

Ruanda, auch als das „Land der 1000 Hügel“ bezeichnet, ist ähnlich groß wie Rheinland-Pfalz. Mit 432 Einwohnern pro Quadratkilometer ist es das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Die Amtssprachen sind Französisch und Englisch sowie Kinyarwanda. Das beherrschen die beiden Freiwilligen mittlerweile auch.

Ostern haben die beiden jungen Frauen eine englischsprachige Messe besucht, bevor es wieder zurück in den Alltag ging. Die jungen Frauen betreuen in dem Center des Ordens „Inshuti z‘abakene“ –„Freunde der Armen“ 36 Kinder und Erwachsene mit Behinderung: „Wir sind mittlerweile ein Teil der Familie geworden“, schreibt Marie Bußmann.

 

Helfen ohne Ausbildung

 

Zusammen mit den Schwestern, der Lehrerin und dem Physiotherapeuten gestalten sie den Alltag und Unterricht: „Unsere Hauptaufgabe besteht im Kontakt zu den Bewohnern. Sie sollen sehen, dass sie gesehen und akzeptiert und geliebt werden.“ Das kann ein Spaziergang sein, eine Yogastunde oder ein Kinoabend mit „Alice im Wunderland“.

In Ruanda sind viele soziale Einrichtungen ohne die Trägerschaft der Orden undenkbar. „Freunde der Armen“ leitet allein 19 Center in Ruanda, haben Bußmann und Kaiser, die eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin hat, in Erfahrung gebracht. „Die meisten Schwestern stammen aus ärmeren Familien und haben sich verpflichtet, noch ärmeren Menschen zu helfen.“ Daher komme es manchmal vor, dass die Schwestern keine Ausbildung absolviert haben. Sozialtherapeuten und Lehrer unterstützen sie dann bei der täglichen Arbeit. Die Schwestern sind oft Familienersatz.

Infos über ihr soziales Jahr teilen beide in ihrem Blog „365-tage-ruanda.blogspot.com/

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