Serie „Lesetipps für den Koffer“ (3): Eine Erzählung

„Rückkehr nach Birkenau“ - Ein Bericht vom Über-Leben

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Die Zeit mit einem guten Buch zu verbringen, ist eine der schönsten Urlaubs-Beschäftigungen. Leiterinnen katholischer Büchereien im Bistum Münster geben in dieser Serie Tipps zum Schmökern. Das dritte Buch unserer Serie empfiehlt Daniela Kies, sie leitet die Bücherei St. Otger in Stadtlohn.

Als 19-Jährige wird Ginette Kolinka aus Frankreich nach Birkenau im Lagerkomplex Auschwitz deportiert. Gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder kommt sie im April 1944 nach drei Tagen Zugfahrt, eingepfercht in einen Viehwaggon, im Lager an. Am Bahnsteig wird sie von beiden getrennt, und sie wird sie nie wiedersehen.

In den kommenden Monaten erlebt Ginette Unvorstellbares: Die Tage bestehen aus Demütigungen, Schlägen, schwerer Arbeit und Hunger. Und darüber schwebt die ständige Angst vor dem Tod.

Das Buch
Ginette Kolinka mit Marion Ruggieri
„Rückkehr nach Birkenau -
Wie ich überlebt habe“
Aufbau-Verlag 2020, 124 Seiten,
18 Euro
Dieses Buch können Sie bei unserem Partner Dialogversand bequem direkt bestellen.

Ende 1944 landet sie durch Zufall in einem Zug nach Bergen-Belsen und entkommt den zwei Monate später stattfindenden Todesmärschen. Erst im Juni 1945 sieht sie ihre Mutter und Schwestern in Frankreich wieder, die der Deportation wie durch ein Wunder entkamen.

50 Jahre lang erzählt sie niemandem von ihren Erlebnissen, weil sie ihrer Ansicht nach nichts Besonderes zu erzählen hat und um nicht auf die Nerven zu gehen. Erst als Steven Spielberg in den 1990ern für seinen Film „Schindlers Liste“ Augenzeugen von Deportierten sucht, bricht sie ihr Schweigen.

Im Jahr 2000 besucht sie als Zeitzeugin zum ersten Mal mit einer Schülergruppe Auschwitz-Birkenau – und sieht für sich eine Kulisse, ein Museum mit voyeuristischen Anhäufungen, die Mitleid erzeugen sollen. Umso wichtiger sind ihre Erinnerungen und Erzählungen, um das Unfassbare sichtbar zu machen, solange sie kann.

Mit 94 Jahren hat Ginette Kolinka nun diese auch in dem Buch „Rückkehr nach Birkenau“ veröffentlicht. Auf nur 124 Seiten im großzügigen Druck berichtet sie episodenhaft von ihrem (Über-)Leben – vor, während und nach Birkenau.

Ein Bericht, der in einfacher Sprache erzählt, was sie gesehen und gefühlt hat, sofern sie sich noch erinnert. Ein Buch, das einen innehalten lässt.

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