Er hilft Flüchtlingen, weil er einst selbst einer war

„Sally“ - Muslim und Malteser

Er hilft Flüchtlingen, weil er einst selbst als Flüchtling nach Deutschland kam. Salah Hussein fordert von ihnen Respekt vor deutschen Helfern. Da kann er auch schon mal laut werden.

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Er kann auch mal laut werden, zum Beispiel, wenn er sich aufregt. Salah Husseins Augen blitzen, als er die Sache mit den Flüchtlingen aus Afghanistan erzählt. „Sie trugen lange Bärte, verstanden sich selbst als besonders fromme Muslime und klagten über das Land der Ungläubigen, in dem sie jetzt leben müssten.“

Der Mann in der dunkelblauen Malteserjacke ist selbst Muslim, aber bei so etwas wird er auch mal laut. „Ich habe gesagt: Mustafa, wen meinst du mit Ungläubige? Etwa die Christen, die euch hier helfen? Die nach Feierabend für euch Kleiderspenden sortieren oder im Flüchtlingswohnheim anpacken? Weißt du überhaupt, was du da redest?“

 

Religiöse Fanatiker regen Salah Hussein auf

 

Manche Sprüche regen ihn einfach auf. Dabei kann Salah Hussein die schwierige Lage von Flüchtlingen gut verstehen. Der 47-Jährige ist schließlich selbst im Bürgerkrieg aufgewachsen, Anfang der 80er Jahre in Beirut, im Libanon. Kanonendonner, Schüsse und Angst gehörten auch zu seiner Jugend, genauso wie Flucht und der Verlust der Heimat.

Salah Hussein.
Salah Hussein. | Foto: Michael Rottmann

Salah Hussein schwärmt vom Laden seines Vaters, der ein erfolgreicher Konditor in Beirut gewesen sei. Aber als der Krieg immer wilder tobte, sah die Familie keine Zukunft – und kam 1986 mit nichts als ein paar Koffern in Deutschland an. Gerade 15 Jahre alt war Salah Hussein damals.

 

Mit 15 Jahren kam er nach Deutschland

 

Er spricht von der Verzweiflung der ersten Jahre, der Odyssee von Notunterkunft zu Notunterkunft, als sich lange keine Zukunft abzeichnete. „Und ich konnte null deutsch“, sagt er. Gut, dass da wenigstens ehrenamtliche Helfer von Pro Asyl waren, die sich kümmerten und bei den ersten Schritten halfen.

Ein Beispiel, das sich ihm einprägte und bis heute weiterwirkt. Auch nachdem Salah Hussein beruflich langsam auf eigene Beine kommt, hält er Kontakt zu seinen Helfern von damals. Tagsüber arbeitet als Maschinenführer in einer Kartoffelfabrik in der Nähe von Wildeshausen, nach Feierabend übersetzt er für Flüchtlinge Schreiben vom Amt oder bringt sie zum Arzt.

 

Seine Arabisch-Kenntnisse sind wertvoll

 

„Ich wollte einfach etwas von dem zurückgeben, was ich selber bekommen habe“, sagt der Familienvater von sechs Kindern, der mit seinen Arabisch-Kenntnissen ein wertvoller Helfer ist. Und er zögert auch nicht, als es bei der großen Flüchtlingswelle vor zwei Jahren darum geht, in einer Unterkunft als Übersetzer zu helfen. Für die erste Woche nimmt er sich extra Urlaub dafür.

Seinen alten Job hat er mittlerweile  gekündigt, aus dem Ehrenamt wurde ein Zeitvertrag bis 2020. Denn irgendwann entdeckten die oldenburgischen Malteser den quirligen Mann für sich und konnten ihn als Mitarbeiter für ihre Flüchtlingsprojekte gewinnen. Zuerst als „Mädchen für alles“ in verschiedenen Notunterkünften, seit kurzem unter anderem als einen von zwei Verantwortlichen für ein Begegnungszentrum der Malteser in Goldenstedt.

 

Seit 1997 hat er einen deutschen Pass

 

„IC Kalypso – come together“ steht draußen an der Tür der ehemaligen Dorfdiskothek. Mehrmals in der Woche treffen sich hier Jugendliche, vor allen Dingen aus Flüchtlingsfamilien. Ein paar deutsche sind auch da. Es duftet nach Tee, eine Gruppe steht am Kickertisch, andere spielen Karten, und „Sally“, wie alle hier Salah Hussein nennen, bereitet alles für ein Computer-Fußballspiel vor.

Der Treff ist untergebracht in einer ehemaligen Dorfdiskothek.
Der Treff ist untergebracht in einer ehemaligen Dorfdiskothek. | Foto: Michael Rottmann

Sally, der seit 1997 einen deutschen Pass besitzt, Sally, dem die Familien vertrauen. Seine Geschichte erleichtert ihm den Kontakt. Er kennt ihre Kultur, die Vorbehalte auf beiden Seiten. Das macht ihn so wertvoll. Eine Helferin berichtet, dass in den letzten Tagen weniger Kinder als sonst zur Hausaufgabenhilfe gekommen sind. Sally nickt: „Ich werde die Familien besuchen und ihnen erklären, dass das so nicht geht.“

 

Das Fußballteam heißt „Malteser United“

 

Als im letzten Sommer die Frage aufkam, wie man Flüchtlinge und  Dorfbewohner besser zusammenbringen kann, organisierte er ein Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadan. Spontan stellte er seinen Dönerspieß in der Garage beim Kalypso auf und erzählt heute immer noch begeistert von der Feier. Salah Hussein lächelt stolz, zählt auf, was die ehrenamtlichen Helfer und Besucher des Kalypso sonst noch so auf die Beine stellen. Ein Dart-Turnier zum Beispiel, eine Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt, Schwimmkurse.

Im Kalypso entstand auch die Idee mit der eigenen Fußballmannschaft. Seitdem treffen sich donnerstags Flüchtlinge und Einheimische zum Kicken. Clemens Feldhaus, Schulleiter der bischöflichen Ludgerus-Oberschule, in Vechta, trainiert das Team mit dem Namen „Malteser United“.

 

Stolz trägt er das Malteser-Abzeichen

 

Das Emblem des katholischen Verbandes trage er „mit Stolz“, sagt Salah Hussein. „Bis vor zwei Jahren wusste ich ja nur, dass die für Rettungsdienst zuständig sind.“ Und es habe gedauert, „bis ich das in meinen Kopf gekriegt habe: Ich als Muslim bei einer christlichen Organisation!“ Aber jetzt rückt er für ein Foto die Fahne mit dem Malteserkreuz zurecht. „Weil ich von dem, was wir machen, überzeugt bin!“

Das treibt ihn auch an, wenn er als Ehrenamtskoordinator der Malteser in Delmenhorst Menschen für Mitarbeit für den Verband begeistern soll. Vielleicht gelingt ihm das sogar bei einigen von denen, die, wie er selbst einst, jetzt als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Aus zahllosen Gesprächen weiß er, dass die extremen Muslims „mit den langen Bärten“ eher die Ausnahme sind.

 

„Das werden sie den Deutschen niemals vergessen."

 

„Auch wenn es manchmal hakt, die meisten wissen durchaus zu schätzen, wie Deutschland ihnen geholfen hat. Wie Menschen nach Feierabend Kleider und Essen sortiert haben, ohne einen Cent dafür zu bekommen. Das werden sie den Deutschen niemals vergessen.“

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