Bischöfe, Verbände, Politiker: „Beschämend“, „erschütternd“, „unglaubwürdig“

Scharfe Reaktionen auf Ergebnisse der Missbrauchsstudie

Nach dem Bekanntwerden erster Ergebnisse einer Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz geht die Debatte über sexuellen Missbrauch durch Geistliche weiter.

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Nach dem Bekanntwerden erster Ergebnisse einer Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz geht die Debatte über sexuellen Missbrauch durch Geistliche weiter. Am Wochenende haben mehrere Bischöfe die Opfer um Verzeihung gebeten und Konsequenzen angekündigt. Opferorganisationen, Wissenschaftler und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) forderten Reformen und weitere unabhängige Untersuchungen.

Am Mittwoch waren erste Ergebnisse der „Studie über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Geistliche“ bekanntgeworden. Demnach gab es zwischen 1946 und 2014 in Deutschland 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 Beschuldigten, darunter mehrheitlich Priester. Bei den Betroffenen handelte es sich überwiegend um männliche Minderjährige. Die komplette, mehrere hundert Seiten umfassende Auswertung wollen die Bischöfe am 25. September bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda vorlegen.

 

Woelki: „Beschämend“

 

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki nannte es beschämend, dass die Kirche solche Taten zugelassen habe und „dass nachweislich vertuscht wurde, weil man den Ruf der Institution über das Wohl des Einzelnen gestellt hat“. Passaus Bischof Stefan Oster mahnte „eine radikale Form der Selbstkritik im Blick auf die Institution“ an. Ausdrücklich würdigte der Jugendbischof den „großen Mut“ Betroffener, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Man werde sich nun auch der Diskussion stellen müssen über Themen wie eine Änderung der Sexualmoral oder die Abschaffung des Zölibats.

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sprach in einem Brief an alle Gläubigen von „schwerer Schuld“ und einer „dunklen Stunde unserer Kirchengeschichte, die hoffentlich zu einer Reinigung und Erneuerung führen wird“. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch rief alle Katholiken zu Wachsamkeit auf: „Missbrauch darf in unserer Kirche keinen Platz haben.“ Bambergs Erzbischof Ludwig Schick sagte: „Wir sind beschämt und erschüttert.“ Der Umgang mit Missbrauch sei in den vergangenen Tagen auch beim Einführungskurs für neue Bischöfe in Rom angesprochen worden, berichtete der Würzburger Bischof Franz Jung.

 

BDKJ sieht „Männerbünde“ in der Kirche

 

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte strukturelle Änderungen. So seien etwa Frauen stärker einzubinden. Die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Lisi Maier, machte auch „Männerbünde“ in der Kirche für Vertuschung und Machtmissbrauch mitverantwortlich.

Der Jesuit Klaus Mertes, der 2010 als Leiter des Berliner Canisius-Collegs maßgeblich zum Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in Deutschland beigetragen hatte, riet in der „Süddeutschen Zeitung“ dazu, von der Kirche unabhängige Experten mit der weiteren Aufarbeitung zu betrauen. Nur so könne die Kirche Glaubwürdigkeit zurückgewinnnen. Zugleich müsse sie ihre Strukturen ändern. Auch Matthias Katsch von der Opferinitiative „Eckiger Tisch“ sprach sich für eine unabhängige Aufarbeitungsstelle aus.

 

Pfeiffer wirbt für weitere Untersuchungen

 

Als erstes Mitglied der Bundesregierung äußerte sich Familienministerin Franziska Giffey (SPD) zu der Kirchenstudie und mahnte Reformen und eine „Null-Toleranz-Strategie“ für die Täter an. Aus Sicht des Kriminologen Christian Pfeiffer muss die Kirche „noch konsequenter klarmachen: Wer Täter ist, darf nicht als Priester arbeiten“. Im „Spiegel“ warb er für weitere unabhängige Untersuchungen.

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