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Die Ablehnung des Reformpapiers zur kirchlichen Sexuallehre ist zu einer Zerreißprobe des Synodalen Wegs geworden und hat die Krise des Bischofsamtes deutlich werden lassen, kommentiert Johannes Norpoth, Sprecher des DBK-Betroffenenbeirates.
Mit einem Paukenschlag ging auf dem Synodalen Weg in der vergangenen Woche der erste Tag der Synodalversammlung zu Ende: Zwar hatten mehr als 82 Prozent der Synodalversammlung und auch 61 Prozent der Bischöfe dem Dokument zur Weiterentwicklung der christlichen Sexualethik zugestimmt. Aber dennoch wurde die Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe verfehlt, um als offizielles Dokument des Synodalen Wegs zu gelten.
Der Diskussionsverlauf hatte im Vorfeld ein solches Abstimmungsergebnis nicht angekündigt: Weder gab es deutliche oder pointiert formulierte Wortmeldungen aus dem Kreis der Bischöfe während der Generaldebatte, noch fanden sich entsprechende Anzeichen in Vorbereitung auf die Synodalversammlung.
Ein Lehrstück synodaler Übung
Der Autor:
Johannes Norpoth, 55 Jahre, Katholik und Diplom-Sozialwissenschaftler, ist Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken und Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz.
Zwar sieht die Geschäftsordnung der Synodalversammlung die Möglichkeit einer namentlichen Abstimmung vor, die muss aber beantragt werden. Als dies ausblieb, sahen wohl nicht wenige aus dem Kreis der Bischöfe die Zeit gekommen, aus der Anonymität des Abstimmungsverfahrens heraus – in der Synodalversammlung bedient man sich elektronischer Abstimmungsgeräte – die notwendige Mehrheit zu kippen.
Was zunächst aussah, wie das Ende des Synodalen Wegs, entwickelte sich dann aber – Gott sei Dank – zu einem wahren Lehrstück synodaler Übung. Mit entlarvendem Erkenntnisgewinn, aber ebenso mit der schmerzlichen Feststellung, dass inhaltlich die Nachwirkungen ebenso langandauernd wie desaströs in der Gesellschaft wirken werden.
Bischofsamt in der Krise
Die bischöfliche Ablehnung des Textes war der Versuch von einigen wenigen, die Macht des Bischofsamtes sehr eindringlich zu demonstrieren: keine inhaltliche und transparente Auseinandersetzung mit dem Diskussionsgegenstand, dafür aber ein Basta in der Abstimmung. Die wohl dem traditionalistischen Flügel der Bischofskonferenz zuzuordnenden Bischöfe haben aber nur einen Pyrrhussieg davon tragen können.
In Folge der Abstimmungserfahrung des ersten Abends verliefen alle weiteren Entscheidungen nach dem gleichen Muster: vorherige, interne Beratung zwischen den Bischöfen und anschließende namentliche Abstimmung. Ein Nein in dieser Situation hätte natürlich Erklärungsdruck erzeugt. Dass kein weiteres Dokument an der Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe gescheitert ist, macht eine tiefe Krise des Bischofsamtes deutlich. Grundsätzliche Entscheidungen werden davon abhängig gemacht, ob die eigene Position zu einem bestimmten Thema transparent in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Besteht die Gefahr, die eigene Entscheidung rechtfertigen zu müssen, folgt man nicht mehr der eigenen Überzeugung, sondern vermeidet möglichst einen öffentlichen Diskurs durch ein anderes Abstimmungsverhalten.
Synodalität braucht meinungsstarke Bischöfe
Das ist des bischöflichen Hirtenamtes nicht würdig! Es konterkariert alle Ansätze für eine synodale Kirche. Es diskreditiert die Bischöfe, die losgelöst vom Abstimmungsmodus eigene Positionen nachvollziehbar äußern und sich intensiv in die Auseinandersetzung einbringen, auch wenn die eigene Position nicht der Mehrheit entspricht. Und es zeigt, dass wirkliche inhaltliche Argumente, die gegen die Weiterentwicklung der katholischen Sexuallehre sprechen würden, schlicht fehlen.
Synodalität braucht nicht nur Übung. Synodalität braucht vor allem führungs- und meinungsstarke Bischöfe, die mit der ihnen übertragene Macht und Kompetenz zum Wohl der Kirche UND der Menschen in ihr umzugehen wissen. Die Zeit der Kleriker, die sich hinter der apostolischen Hierarchie verstecken, ist seit Frankfurt endgültig vorbei.
Vertrauensverlust wächst
Auch das hat die vierte Synodalversammlung sehr eindrucksvoll bewiesen, wenngleich der Preis dafür ein sehr hoher war. Denn die Zeit ist auch reif für eine dem Menschen zugewandte Sexualethik. Und damit haben die Bischöfe, wieder einmal mehr, zum wachsenden Vertrauensverlust, aber nicht zum Heilsauftrag der Kirche in der Welt beigetragen.
In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.