Der neue Wallfahrtsseelsorger freut sich auf jeden, der kommt

Schnitzel und Kerze – die Wallfahrt nach Telgte hat viele Gesichter

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Wallfahrtsbeginn ist in Telgte nicht erst, wenn sie offiziell eröffnet wird. „Sobald die Magnolien blühen, kommen die Pilger“, sagt der neue Wallfahrtsseelsorger Richard Schu-Schätter. Egal, mit welcher Vorstellung die Menschen kommen – er will alle willkommen heißen.

Die Veränderung ist spürbar, nicht erst seit den Einschränkungen durch die Pandemie: Die Wallfahrt nach Telgte entwickelt sich immer mehr zu einem Glaubenserlebnis außerhalb der klassischen Pfarrgemeinde- oder Verbandsstrukturen. Nicht, dass sich auch weiterhin größere Gruppen traditionell als Gemeinschaft auf den Weg machen. Aber oft werden sie kleiner und die individuelle, familiäre oder partnerschaftliche Form nimmt zu. „Corona hat das alles noch einmal verstärkt“, sagt Richard Schu-Schätter. Der neue Pilgerseelsorger im Marienwallfahrtsort sieht darin auch eine Chance.

„Die Wallfahrt ist nicht in das Loch der Kirchenkrise gefallen“, sagt der 49-Jährige. „Die Pietà ist unverdächtig und über alle Zweifel erhaben ist.“ Die unmittelbare Begegnung mit der Gottesmutter ist für ihn entscheidend. „Alle kirchlichen Akteure, die sich schuldig gemacht haben, werden ihr gegenüber ganz klein.“ Wer mit Strukturen und Menschen hadert, findet in der Wallfahrt trotzdem einen Weg, seinem Glauben Ausdruck zu verleihen. „Ganz persönlich, direkt und nah – die Kirche als Mittler ist hier nicht notwendig.“

In der Pandemie kamen nicht weniger

Gerade die Pandemie hat das noch einmal deutlich gezeigt. Als die großen Wallfahrten ausfielen, kamen die Menschen einzeln. Nicht weniger, sondern eher mehr – das belegt der Verbrauch an Kerzen. „Die Wallfahrer konnten dabei das Gefühl der großen Gemeinschaft zumindest spüren, auf das sie so lange verzichten mussten“, sagt Schu-Schätter. Einige werden auch künftig allein oder in kleinen Gruppen kommen. „Viele können es aber auch nicht abwarten, dass sie endlich wieder zusammen in Telgte einziehen können.“

Der Pastoralreferent hat seine neue Aufgabe vor einigen Wochen angetreten und schnell erleben können, dass sich das Profil der Wallfahrt nach Telgte vielseitiger gestaltet als zu seiner Zeit als Pastoralassistent dort vor 16 Jahren. Es gibt nicht mehr nur den einen klassischen Wallfahrer. „Ein einzelner Jakobspilger macht hier ganz anders Station als ein Teilnehmer an der Osnabrücker Wallfahrt, der mit mehreren Tausend gemeinsam hierherkommt.“ Nicht nur die Motivationen unterscheiden sich, auch die Programme und die Schwerpunkte des Aufenthalts.

Alle Formen sind in Telgte legitim

Für die einen steht der Gottesdienst in der Gnadenkapelle im Mittelpunkt, für die anderen die heilige Messe in der Propsteikirche. Einige suchen die stillen Momente auf dem Kreuzweg. „Und nicht wenige kommen vor allem wegen des guten Schnitzels oder des leckeren Eises“, sagt Schu-Schätter. „Das alles ist legitim, alle nehmen etwas von der Atmosphäre des Wallfahrtsortes auf.“

Telgte ist ein „Kraftort nicht nur für Christen“, sagt Schu-Schätter. Und so möchte er die Wallfahrer künftig auch begleiten. „Egal, ob sie zuerst das Schnitzel essen oder eine Kerze anzünden.“ Die Oberfläche, an der sie an das religiöse Angebot andocken können, soll groß sein. Das ehemalige Kloster im Schatten der Propsteikirche direkt neben der Emsbrücke wird zum Wallfahrtshaus mit einigen Gästezimmern und Gemeinschaftsräumen umgebaut. „Übernachtung, Katechese, spirituelle Treffen…“, zählt er mögliche Angebote auf. „Hier können die Besucher auch auf die Toilette gehen oder den Pilgersegen bekommen.“

Zwischen Tradition und neuen Ideen

Es wird ein Spagat werden zwischen traditionellen Angeboten und der Öffnung für alle neuen Ideen, mit denen die Menschen in den Marienwallfahrtsort kommen werden. „Wir werden dabei eine Schnittstelle sein zwischen dem, was sich über Jahrhunderte bewährt hat und nicht abgeschafft werden soll, und dem, was sich neu entwickelt.“ Die Ausstrahlung seines Teams bleibt für ihn dabei die gleiche: „Hey, hier bin ich und ich stehe für etwas – für die Hilfe im Glauben bei allen Sorgen und Ängsten.“ Telgte, sagt er, ist ein Ort, an dem das Leid nicht übertüncht wird.

Die Menschen, die kommen, sind deshalb „ein Hoffnungszeichen“ sagt Schu-Schätter. „Es gibt die Sehnsucht nach Antworten im Glauben – sie muss ihnen von niemanden aufgedrängt werden.“ Nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit religiösen Themen steht in Telgte im Mittelpunkt, sondern der Glaube als Gefühl. „Wir wollen genau da ansetzen und fragen, welche Begleitung die Pilger sich an diesem Punkt wünschen.“

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