Münsteraner Kirchenrechtler kritisiert Brief von vier Kardinälen an Franziskus

Schüller wirft Kardinal Meisner Illoyalität gegen Papst vor

Ausgerechnet Kardinal Joachim Meisner, der bislang als besonders papsttreu galt, wirft der münstersche Kirchenrechtler Thomas Schüller vor, illoyal gegenüber Papst Franziskus zu sein. Der Grund: ein Brief von Meisner und drei weiteren Kardinälen.

 

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Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller wirft Kardinal Joachim Meisner illoyales Verhalten gegenüber Papst Franziskus vor. „Der öffentliche Versuch Meisners und dreier weiterer Kardinäle, den Papst mit Brandbriefen unter Druck zu setzen, ist ein Akt der Illoyalität“, sagte Schüller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montag): „So etwas gehört sich für keinen katholischen Christen, geschweige denn für Kardinäle, die dem Papst Gehorsam 'bis aufs Blut' versprochen haben.“

Trotzdem könne der 82-Jährige ehemalige Kölner Erzbischof „ruhig schlafen“, so Schüller weiter. Denn nicht jeder Dissens mit dem Papst führe zur Degradierung, obwohl sie kirchenrechtlich ohne weiteres möglich wäre: „Der Papst ist frei, Kardinäle zu ernennen und abzuberufen.“

 

Tragische Rolle eines „Abtrünnigen“

 

Meisners Vorgehen hat nach Ansicht des Kirchenrechtlers „fast etwas Tragisches“: Der Kardinal, der immer allergrößten Wert auf Übereinstimmung mit dem jeweiligen Papst gelegt habe, „begibt sich jetzt selbst in die Rolle eines Abtrünnigen“.

Thomas Schüller, Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.Thomas Schüller, Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. | Foto: Jens Joest

Der seit 2014 emeritierte Kölner Erzbischof hatte zusammen mit den Kardinälen Walter Brandmüller, Raymond Leo Burke und Carlo Caffarra Franziskus schriftlich zur Klärung mehrerer „Zweifel“ („Dubia“) rund um das Papstschreiben „Amoris laetitia“ aufgefordert. Unter anderem geht es dabei um die Frage, ob in Einzelfällen wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Voraussetzungen wieder zur Kommunion gehen dürfen.

Die jetzt von etlichen Experten vor allem kritisierte Veröffentlichung des Briefs begründeten die vier Kardinäle damit, dass Franziskus entschieden habe, ihnen auf ihre Fragen nicht zu antworten, und dass sie die weitere Debatte über dieses Thema fördern wollten.

 

Papst braucht Rat – keine „vergifteten Fragen“

 

Nach den Familiensynoden von 2014 und 2015, so Schüller, habe der Papst eine Offenheit in der strittigen Frage der Kommunion für wiederverheirate Geschiedene angedeutet: „Franziskus fordert die Seelsorger auf, sich die individuelle Situation anzuschauen, statt die Nase ins kirchliche Gesetzbuch zu stecken.“ Für Menschen, die „nur in Schwarz-Weiß-Kategorien denken können“, sei dies vielleicht „eine intellektuelle Herausforderung, die sie nicht leisten können oder wollen“, sagte Schüller.

Der Kirchenrechtler fügte aber auch hinzu, der Papst sei mittelfristig besser beraten, „wenn er klarere Regeln für all die vielen Katholiken aufstellen würde, die – wie es kirchenamtlich so schön heißt – 'in irregulären Situationen' leben“. Briefe mit „vergifteten“ Fragen seien aber die wohl ungünstigste Form einer Beratung, allemal für Kardinäle, kritisierte Schüller.

Zuletzt hatte der Chef des vatikanischen Berufungsgerichts, Pio Vito Pinto, im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) die öffentliche Forderung der vier Kardinäle als „Ohrfeige“ für den Papst gedeutet. Enttäuscht äußerte sich Pinto vor allem von der Mitwirkung Meisners. Dieser sei ein „großer Oberhirte“ und habe „mit dieser Aktion einen Schatten auf seine Geschichte gelegt“.