Chefredakteur Markus Nolte: Gedanken zur Fastenzeit

Schweinehund und Schoki-Verzicht: Beim Fasten geht's nicht nur um mich

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Zum Fasten und zur Fastenzeit gehört ein bewusster Umgang mit Lebensmitteln. Fragt sich nur wofür. Letztlich jedenfalls geht es um weit mehr, als sich etwas Gutes zu tun und für ein gutes Gewissen zu sorgen.

Verzichten, verkneifen, Vorsätze – Fastenzeit klingt immer mehr nach einer spaßig-heldenhaften Eigentherapie zur Überwindung des inneren Schweinehunds. Das Ziel: Selbstoptimierung im Säuselsound à la „So überlisten Sie sich selbst in 40 Tagen.“

Alternativ müssen die satanischen Pfunde purzeln („Schoki, Schnitzel, Chips – weichet!“) oder der Konsum potenziell tödlicher Rauschwaren heldenhaft unterbrochen werden. Tut alles irgendwie gut – vor allem mir selbst, konkret: Leber, Lunge, Herz und Waage.

Weniger Ich

Wer wollte bestreiten, dass weniger mehr sein kann und Gesundes schlichtweg dies ist: gesund. Auch klar: Natürlich soll und will die kirchliche Fastenzeit dazu einladen, sich selber kritisch-liebevoll anzuschauen, nicht nur im Umgang mit Gott und den Mitmenschen, sondern auch mit sich selbst und seinem Körper.

Allerdings geht es nicht um weniger Gewicht, weniger Ungesundes, weniger innere Schwäche – sondern vor allem um weniger „Ich! Ich! Ich!“. Denn auch in der Fastenzeit steht das Fasten nicht um seiner selbst im Zentrum, es steht noch nicht mal allein da. Dazu gesellen sich schließlich noch das Gebet als zweite Säule und drittens das, was man mit dem alten Wort „Almosen“ beschreibt. Anders gesagt: „Ich“ geht nur mit Gott und den Menschen um mich herum.

Mehr Wir

Im Evangelium vom Aschermittwoch, also dem Power-Motivationstext für die nächsten 40 Tage, kommt genau das zum Ausdruck. Da geht es zwar ums Fasten, aber auch ums Beten und um dieses „Almosen geben“. All das gehört zusammen, so wird Fasten und Büßen rund und gesund, so steht es auch im Katechismus – und gehört interessanterweise etwa auch im Islam und seiner Ramadan-Zeit zusammen.

Selber verzichten – und anderen etwas geben; weniger für sich – und mehr für Bedürftige; weniger Ich – und mehr Du oder Wir: Das macht aus der Fastenzeit mehr als den Kampf mit dem inneren Schweinehund. Überhaupt: Wenn Erfolg ohnehin keine Vokabel des Evangeliums ist, gilt das beim Fasten umso mehr.

Ja zum Mitleiden

Es geht um Solidarität, um Mitgefühl, um Sympathie im wahrsten Wortsinn, also um das Mitleiden mit den Leidenden. Davon gibt es gerade heute nun wahrlich viele, viele weltweit, in der Türkei, in Syrien und der Ukraine, in Afrika immer schon und auf eigene Weise im Haus, mitunter unentdeckt nebenan. Ihr Leid zu dem meinen zu machen, sensibel zu sein für die kleinen und großen Katastrophen der Nächsten, Fernen und Fernsten: Das ist die bejahende Seite jener Medaille, auf deren Rückseite das Nein zu meinen eigenen Schwächen und Fehlern, meiner Schuld und meinen Sünden steht.

Konkret: Weniger essen, bewusster konsumieren, gesünder ernähren – und sich so auch mit denen gemein zu machen, die weit länger als 40 Tage wenig zu essen haben, die mitunter nicht wissen, wovon sie sich morgen ernähren sollen. Dabei kann und darf es nicht um Hungerstreik gehen, der tatsächlich die eigene Gesundheit und womöglich das eigene Leben gefährdet, um einer noch so richtigen Forderung Nachdruck zu verleihen. Nicht ohne Grund ermahnt die christliche Spiritualität dazu, beim Fasten Maß zu halten.

Nein zu Heldentum

Und das alles eben nicht, weil es um mich geht, schon gar nicht darum, ein besserer Christ zu sein, der die Regeln von Bibel und Kirche in merkwürdigem Treueverständnis einhält. Im Gegenteil: Der Aschermittwochs-Text aus dem Matthäus-Evangelium ist so etwas wie eine Anleitung zur Selbstbescheidung. Ziemlich deutlich entzieht er allen Versuchen die Energie, die eine solche Bußzeit als Chance für Selbstoptimierung, Selbstdarstellung und Selbstüberhöhung nutzen wollen: Wer beten will, soll das hinter verschlossenen Türen machen. Wer fasten will, soll das diskret tun, sodass es keiner merkt. Und, „last but not least“: Wer Almosen gibt, soll damit nicht hausieren gehen – und schon gar nicht auf Anerkennung spekulieren.

Anders gesagt: Geh in dich, um dich ganz zu öffnen – für dich, für die anderen, für Gott.

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