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Es sind wenige, aber es gibt sie: junge – oder besser: relativ junge – Menschen in alten Orden. Was hat sie bewegt, sich ihrer Gemeinschaft anzuschließen? Welche Erfahrungen haben sie gemacht? Wie geht es ihnen in Gemeinschaften mit überwiegend älteren Brüdern und Schwestern? Heute: Schwester Lydia von den Benediktinerinnen auf Burg Dinklage.
„Guten Tag, mein Name ist Schwester Lydia, ich bin hier die Gastschwester und heiße sie herzlich willkommen!“ Wenn die 40-Jährige die trutzig wirkende Tür der Burg Dinklage öffnet, geht die Sonne auf, denn sie hat eine Ausstrahlung, die einnimmt, die einen zur Ruhe kommen lässt und Frieden verbreitet. Wie überhaupt dieser Ort, an dem 1949 23 Schwestern, von Beruf größtenteils Krankenschwestern, die Benediktinerinnenabtei St. Scholastika, benannt nach der Schwester des heiligen Benedikt von Nursia, gründeten.
Dabei werden Ecken und Kanten nicht verhehlt: Burg Dinklage ist ein recht schiefes Kloster, der gepflasterte Hof, der schmale Apostelgang aus Holz, der knarzt, und die „Scheunenkirche“, vor 60 Jahren gemeinsam von Schwestern und Bauarbeitern errichtet, gesegnet mit dem Charme einer Remise. Die Burg ist aber auch Geburtsort des „Löwen von Münster“, Kardinal Clemens August Graf von Galen. Sein Wirken ist nach wie vor präsent – die Schwestern eröffneten 2013 eine Ausstellung über ihn in der nahen Burgmühle.
Es kommen keine Scharen
Derzeit leben 22 Schwestern auf Burg Dinklage, „jede mit ihrem Charisma und Talent“, wie Schwester Lydia betont. Ein Ort der Gegensätze, der anzieht: „Es kommen hin und wieder Menschen, die sich für einen Eintritt in unseren Orden interessieren. Wir haben eine Novizin und eine Schwester, die ihre erste Profess abgelegt hat“, berichtet sie. „Natürlich sind das keine Scharen und es dürften gerne mehr sein, aber wir sind gerne hier, und leben das, was wir vom Evangelium verstanden haben.“
Die Schar wächst trotzdem: Zu der Klostergemeinschaft gehören die Unterstützer des „BurgKreis“, die Mitarbeitenden und zehn benediktinischen Gemeinschaften deutschlandweit, die gemeinsam auf dem Weg zu einer europäischen Kongregation sind.
Gegenwart Gottes spüren
Schwester Lydia ist seit 2007 in Dinklage, sie hat Theologie studiert, lebte ein Jahr in Rom und eine Zeitlang in Ghana. Die Frage nach Gott beschäftigt sie seit ihrem 16. Lebensjahr, wie sie erzählt: „Was ist da am Grund? Ist da Gott? Dem wollte ich nachgehen. Irgendwann habe ich alles auf eine Karte gesetzt“, erzählt sie von ihrem ganz persönlichen Glaubensprozess, den sie immer noch mit großer Leidenschaft bestreitet. Die Gegenwart Gottes ist eine Frage, die sie immer wieder bewegt. Sie beschreibt es als ein Gefühl dafür, dass Gott ihr im Gebet antwortet: „Er lässt mich Menschen begegnen.“
Aber auch die Frage „Kann ich als Frau in dieser Kirche sein bei diesen ungerechten Strukturen?“ stellt sie sich immer wieder. Da helfe ein Blick auf den 13. Apostelleuchter, der mittlerweile in der „Scheunenkirche“ auf Burg Dinklage leuchtet, als Erinnerung an Maria Magdalena als Begleiterin Jesu. So einen Apostelleuchter als Zeichen für die gleichberechtigte Stellung der Frauen in der Kirche hatte vor einiger Zeit auch die KFD St. Maria Magdalena im niederrheinischen Goch aufgestellt. Ebenfalls einen Leuchter für die Apostelin ist angebracht in Altenoythe im Oldenburger Land sowie in Lüdinghausen.
Faszination Gegensätze
Was die Faszination der Benediktinerinnen in Dinklage ausmacht, ist die Balance von völliger Hingabe im Gebet und der Begegnung mit vielen Gästen im Gästehaus. Stabilitas und Offenheit, Klausur und die fünf Gebetszeiten ergänzen sich mit einem Da-Sein für die Menschen, wie zum Beispiel die Begleitung von Hilfesuchenden ohne festen Wohnsitz, die Möglichkeit zum Kirchenasyl, aber auch Touristen oder Pilgern, die den Klosterladen oder das Café besuchen.
„Es gibt mehr Leute, die zu uns kommen möchten, als wir Betten haben“, sagt Schwester Lydia mit einem Lachen. Es ist ihr wichtig zu betonen, „dass es ein gemeinsamer Weg ist, den wir miteinander versuchen, aber natürlich führten unterschiedliche Vorstellungen auch zu Konflikten – weil wir Menschen sind“, sagt sie. Das Vertrauen auf den Geist Gottes, der wirkt, trage die Gemeinschaft.