Ruhestand nach mehr als 40 Jahren Dienst in der JVA Vechta

Seelsorger für junge Straftäter - Pfarrer Schomaker gibt Schlüssel ab

  • In Vechta gibt es deutschlandweit den einzigen Vollzug nur für junge Täter zwischen 18 und 29 Jahren.
  • Mehr als 40 Jahren arbeitete Pfarrer Helmuth Schomaker für sie als Seelsorger.
  • Zugleich war er immer Gemeindeseelsorger, zuletzt in Stuhr-Moordeich.

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Priester sein ohne Gefangene? Das kennt Helmuth Schomaker gar nicht. Höchstens die zwei Jahre als Kaplan in St. Willehad Oldenburg. Sonst war der Gemeindeseelsorger immer auch Seelsorger für Gefangene. Immer im gleichen Gefängnis: der Justizvollzugsanstalt Vechta, geschlossener Vollzug für 330 Jungtäter. 19 bis 25 Jahre sind die Gefangenen dort alt. In dieser Form ist der Vollzug einzigartig in Deutschland, heißt es bei der Justizbehörde.

In seinen 44 Priesterjahren ist Schomaker dieser Aufgabe treu geblieben, auch als er Pfarrer in St. Paulus in Stuhr-Moordeich (Landkreis Diepholz) wurde, einer kleinen Gemeinde am Stadtrand von Bremen. Verkehrsgünstig gelegen zwischen zwei Autobahnen. Aber doch gut 70 Kilometer von den Gefangenen entfernt.

Schomaker suchte das Gespräch

Helmuth Schomaker hat das nie gestört, die eine Stunde Fahrt über Land. Zwei bis drei Tage der Woche gehörten immer den jungen Männern in Haft. Dort suchte er das Gespräch: mit neu Aufgenommenen, mit Gefangenen mit Fragen. Er hielt Gottesdienste, saß mit ihnen in einem Bibelkreis. „Ich wollte Präsenz zeigen“, sagt er heute, „nie im Büro auf Gesprächswünsche warten.“

Immer war er unterwegs. Nicht umsonst trug er einen Bund mit einer Unmenge Schlüsseln bei sich, „für alle möglichen Türen“. Bei Verwaltungssitzungen in der Anstalt sah man ihn selten.

Zugleich als Gemeindepfarrer unterwegs

St. Paulus in Stuhr-Moordeich.
Moderne Kirche auf der grünen Wiese: St. Paulus in Stuhr-Moordeich. | Foto: Franz Josef Scheeben

Erst abends fuhr er dann nach Hause. Denn zugleich leitete er die Gemeinde St. Paulus, in einer Stadt, in der nur acht Prozent der Menschen katholisch sind. Er hielt Gottesdienste für die 1.100 Katholiken, schulte Messdiener, betreute Kindergarten und Seniorenkreis, saß in Pfarreirat und Kirchenausschuss – alles so, wie man es sich bei einem normalen Gemeindepfarrer vorstellt. Obwohl er nur die halbe Woche im Ort war.

„Gestört hat das niemand“, sagt Schomaker. „Abends war ich ja immer da.“ Nicht umsonst stellt eine Umfrage zum Pastoralplan 2016 dem Pfarrer ausdrücklich ein gutes Zeugnis aus. „Aber wir waren auch immer eine lebendige Gemeinde mit gutem Zusammenhalt“, sagt Schomaker selbst.

Siedlung im Grünen

Moordeich liegt zwar zwischen den Städten Bremen und Delmenhorst. Als Ortsteil von Stuhr wurde die Siedlung aber am Stadtrand, in einer eher ländlichen Umgebung, geplant. 1974 wurde die Kirche St. Paulus errichtet. Später neben ihr Kindergarten, Pfarrhaus, Kinderkrippe und Pfarrheim. Alle schmucklose Flachbauten im Stil der Zeit, rund um einen Innenhof. „Am grünen Tische entworfen auf der grünen Wiese“, sagt Schomaker und lacht. Erst dreißig Jahre später erhielt die Kirche ein pyramidenförmiges Dach mit einem großen Kreuz.

Die Gemeinde und ihre Umgebung haben sich ihr „ländliches Flair“ bewahrt, wie Schomaker das einmal ausgedrückt hat. Ländliches Flair – das gibt es in der JVA höchstens auf dem Sportplatz.

Soziale Brennpunkte in Moordeich Fehlanzeige

Zudem: Moordeich entstand als Zuzugsgebiet für Menschen, die am Stadtrand wohnen wollten – und sich das auch leisten konnten. Soziale Brennpunkte also Fehlanzeige.

Davon bekommt Schomaker in der JVA dagegen genug zu spüren. Denn jeder Häftling bringt seine Geschichte mit. Die beginnt bei vielen eben in einem sozialen Brennpunkt und macht sie zu Tätern mit Tötungsdelikten, Tätern mit Drogendelikten. Schomaker kennt das Strafgesetzbuch inzwischen sehr gut.

Der „Mann Gottes“ beeindruckte

Nur selten erlebte er bei Gefangenen jedoch Desinteresse oder Ablehnung. Dagegen fand er gelegentlich muslimische Afghanen im Sonntagsgottesdienst, die „der Mann Gottes“ beeindruckt hatte. Oder er erlebte tiefe Diskussionen im Bibelkreis. Viele der jungen Täter seien noch eher unreif. „Aber viele kommen hier auch ins Nachdenken.“

Als Seelsorger für Gefangene wie für seine Gemeinde geht Schomaker nun in den Ruhestand. Aber die Kontakte zu den Gefangenen will er weiter pflegen. Schließlich haben die ihn ein Leben lang begleitet. Schon als Theologiestudent, vor 50 Jahren, ging er mit dem Gefängnispfarrer durch den Vollzug in Vechta.

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