Andreas Odenthal zu Segnungen von Neugeborenen

Segen für alle - Taufe nur für Auserlesene?

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Manche Krankenhäuser bieten Eltern nach der Geburt ihres Kindes eine Segensfeier als niedrig-schwelliges Willkommens-Ritual an. Der Liturgiewissenschaftler Andreas Odenthal hält dagegen. In seinem Gast-Kommentar erläutert er, warum die Taufe das niedrigst-schwellige Ritual der Kirche ist und Segnungen von Neugeborenen die Taufe unnötig überhöhen.

Die Kirche lebt von der Kreativität im Umgang mit ihren Riten: Neues muss erfunden, Altes neuen Lebensbedingungen angepasst werden. Es ist deshalb erfreulich, dass in einigen Bistümern ein neues Gottesdienstformat erprobt wird, die Segnungen von Neugeborenen. „Niederschwellig“ steht hier ein Ritus zur Verfügung, der sozusagen im Vorfeld der Taufe, aber auch unabhängig davon die Eltern erreichen kann, die sich ansonsten mit der Kindertaufe schwertäten.

Es wird spannend sein, welche Erfahrungen die nächsten Jahre mit dieser Feierform bringen werden, die sich sensibel an der Situation der Eltern orientiert. Doch theologisch ist meines Erachtens einiges anzufragen: Auf der Internetseite eines deutschen Bistums war als Begründung für diese neue Feierform zu lesen, die Taufe bringe eine zu hohe Hürde mit sich, da sie ja eine lebenslange Bindung an Jesus Christus sei.

Der Autor:
Andreas Odenthal ist Professor für Liturgiewissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn.

 

Wer bindet sich lebenslang an wen?

 

Eine lebenslange Bindung an Jesus Christus – wem geht angesichts dieses Anspruches nicht die Luft aus? Eine lebenslange Bindung an einen anderen Menschen ist schon prekär, wieviel mehr eine solche Bindung an Gott – das ist selbst bei den Ewigen Gelübden der Orden nur schwer zu verkraften. Stimmt diese Perspektive denn? Die Taufe ist meines Erachtens genau aus gegenteiligem Blickwinkel wahrzunehmen: Nicht lebenslange Bindung des zu Taufenden an Jesus, sondern gerade umgekehrt, lebenslange Bindung Christi an den Täufling. Und um den geht es zuerst, und erst dann um dessen Eltern und deren Glaubenssituation.

Es wird noch radikaler, zumindest für die Säuglingstaufe: Die Bindung Jesu an den zu Taufenden geschieht ohne jede Voraussetzung auf Seiten des Täuflings, ohne jede Leistung, ist Zuspruch und radikale Gnade. In diesem Sinne ist sie Verwirklichung des Reiches Gottes, das Jesus den Menschen verkündet hat, ohne es an vorherige Umkehr zu binden. Es ist schon interessant: Was muss der Säugling eigentlich bei seiner Taufe tun? Die Antwort ist so schlicht wie radikal: Nichts. Er muss nichts glauben, nichts bekennen, keine tätige Teilnahme üben, und braucht natürlich auch nichts zu unterschreiben. Er muss nur da sein. Und diesem Dasein ist die Gnade Gottes zugesprochen.

 

Zwei-Klassen-Christentum?

 

So ungefragt der Mensch ins Leben geworfen wird, so ungefragt schenkt ihm Gott seine Gnade, ungeschuldet – fast ein wenig übergriffig. Damit ist die Taufe das niedrigst-schwellige Ritual der Kirche. Deshalb kann sie im Notfall auch jeder Mensch spenden, selbst der Nicht-Glaubende kann bei der Taufe „in persona Christi“ handeln: Das ist großartig, weil hier deutlich wird, wie sehr Gott – und seiner Kirche – das Heil der Menschen am Herzen liegt.

Meine Sorge ist, bei den Segnungen der Neugeborenen statt der Taufe doch wieder ein Zwei-Klassen-Christentum zu etablieren: Segen für alle, aber die Taufe nur für den Kreis der Auserlesenen, die richtig und gut glauben, aber eben nicht bloß „Taufscheinkatholiken“ sind. Das kann leicht abwertend werden, und dann trauen wir den Menschen und auch Gott einfach zu wenig zu.

Ich weiß, hier gibt es viel zu diskutieren, aber eines ist sicher: Die Perspektive eines Zwei-Klassen-Christentums ist nicht die Perspektive des Evangeliums. Jesus schenkt, ohne Vorbedingung. Gott verausgabt sich in Liebe und Gnade. Das möchte ich gerne für die Neugeborenen haben: Segen immer, aber in Form sakramentlicher Gnade, einer lebenslangen irreversiblen Bindung Jesu an die getauften Menschen.

Die Positionen der Gastkommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.