Auslegung der Sonntagslesungen am Neujahrstag

Segen in die neue Zeit

2600 Jahre ist er alt, der wohl berühmteste Segen der Welt. Gut, dass er am Anfang des neuen Jahrs steht. Warum wir Menschen auf Gottes Gutheißung angewiesen sind, erläutert Pater Daniel Hörnemann in seiner Auslegung der Lesungen vom 1. Januar.

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2600 Jahre ist er alt, der wohl berühmteste Segen der Welt. Gut, dass er am Anfang des neuen Jahrs steht. Warum wir Menschen auf Gottes Gutheißung angewiesen sind, erläutert Pater Daniel Hörnemann in seiner Auslegung der Sonntagslesungen.

Kaum ein Morgen ist so ruhig wie der Neujahrsmorgen. Die meisten Menschen schlafen sich aus nach durchfeierter Nacht. Wenige finden den Weg zum Gottesdienst. Nach dem Lärm der Silvesternacht herrscht eine geradezu unwirkliche Stille, eine besondere Atmosphäre, der Zauber des Neuanfangs. Hat ein gutes, neues Jahr begonnen?

Wir können es nur hoffen, nicht machen, wir können uns nur der liebenden Fürsorge Gottes anvertrauen, der sich seit Weihnachten mit seiner Menschwerdung eindeutig auf unsere Seite gestellt hat. Wir sprechen viele Wünsche aus, fassen gute Vorsätze, letzten Endes aber gilt: an Gottes Segen ist alles gelegen.

 

Zwei uralte Metallplättchen

 

Das durch die Wüste ziehende Volk Israel war existenziell auf den Segen Gottes angewiesen. Um 1979 fanden israelische Ausgräber im Hinnom-Tal in Jerusalem zwei zusammengerollte Metallplättchen aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Es brauchte jahrelange Arbeit, bis man sie unbeschädigt auseinanderrollen konnte. Was kam dabei zutage?

Das Evangelium zum Hören

Aufgeschrieben fand sich darauf der so genannte Priestersegen, wie er sich in der Lesung aus dem Buch Numeri findet. Außer im Judentum wird er vor allem in Gottesdiensten der evangelischen Kirche als Schlusssegen verwendet. Er fand aber auch Eingang in das katholische Messbuch. Die Wanderung Israels durch die Wüste wurde für spätere Generationen zum Symbol für die Wanderung des Gottesvolkes durch die Zeiten. Gott spricht zu Israel: „Ich, ja Ich, will segnen!“

 

„Glücksiängs Niejaohr!“

 

Wie viele Glück- und Segenswünsche haben Sie zu Weihnachten oder jetzt zur Jahreswende erhalten? Vielleicht wurden sie sehr unterschiedlich formuliert: vom banalen „Guten Rutsch!“ über plattdeutsch „Glücksiängs Niejaohr!“ bis zu „Behüt Dich Gott!“ ähnlich wie in der ersten Zeile des Priestersegens. Ein Jahreswechsel bringt in Erinnerung, dass der Mensch in seinen Hoch- und Tiefzeiten auf Segen angewiesen ist.

Weniger abgegriffen als die genannten Wunschformeln ist die zweite Segenszeile aus dem Buch Numeri: „Gott lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig!“ Wie die Sonne Leben, Licht und Wärme spendet, so schenkt uns Gott seine großzügige Zuwendung. In der Heiligen Nacht hat er das bereits in höchster Intensität getan: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“ (Gal 4,4). Der Name „Jesus“ (Lk 2,21) beinhaltet Gottes liebevolles Dasein für den Menschen.

 

Gott zeigt Gesicht

 

Die dritte Zeile geht darüber noch hinaus. Nähe und Intensität der Zuwendung steigern sich erneut: Gott soll nicht nur wie strahlendes Licht erscheinen, sondern jedem Einzelnen sein Gesicht zuwenden und seine Sehnsucht stillen. Er schenke dir seine besondere Aufmerksamkeit und liebende Fürsorge. Darin sollst du Frieden und Heil, finden. Er lasse dein Leben gelingen!

Der Autor

Pater Daniel Hörnemann ist Subprior der Benediktinerabtei Gerleve und Theologischer Berater von „Kirche+Leben“. | Foto: Markus Nolte

Ein Segens-Crescendo von allgemeiner Behütung durch Gott bis zur Begegnung mit ihm von Angesicht zu Angesicht. Wem Gott sein leuchtendes Antlitz zuwendet, dessen Leben wird strahlen. Der Gesegnete erfährt Schutz, Sympathie, Heil und ganzheitliches Wohlergehen. Dreimal wird in dem Segensspruch der Name Gottes an- und ausgesprochen. Mit dem Namen Gottes soll seine Wirklichkeit und Wertschätzung jedem Menschen ausdrücklich vermittelt werden. Dreimal – das heißt es gilt: „Ich war immer schon für dich da, ich bin es jetzt und werde es immer sein!“

 

Ein Jahr voller Fragen

 

Manche von uns haben heute Nacht eine gemütliche Atmosphäre im Familien- oder Freundeskreis genossen, sich dankbar an eine gute Zeit erinnert, andere mögen voll Angst und Sorge an die Zukunft gedacht und sich bange Fragen gestellt haben: Wie mag es mit mir, wie mag es mit uns weitergehen im neuen Jahr? Wie wird es um die Sicherheit im wirtschaftlichen, landwirtschaftlichen, gesundheitlichen, beruflichen oder politischen Bereich bestellt sein, wie um den Frieden im In- und Ausland? Wie wird sich unsere Beziehung entwickeln? Wie steht es um unsere Ehe, Familie, Partnerschaft? Werden wir den nächsten Jahreswechsel überhaupt noch gemeinsam erleben? Wir Menschen haben nicht alles in der Hand, immer bleiben wir angewiesen auf Segen.

Von dem Kriegsteilnehmer Arthur Scholz erschien vor 100 Jahren das Gedicht „Jahresende“. 1917 drückte er darin den wichtigsten Wunsch der Menschen damals aus, dass anstelle des grausamen Weltkriegsmordens endlich Friede und Verständigung treten mögen: „Nun steigt das alte Jahr hinab in ewige Vergangenheiten. Was es den Menschenkindern gab, war Not und Tod und Leiden. .. Bald steigt das neue Jahr herauf, schon rauschen seine Schwingen. Noch dunkel liegt des Weges Lauf vor uns. Was wird es bringen? Schon summt vom Turm der zwölfte Schlag und predigt vom Vergehen. Dass Friede er verheißen mag der Welt, ein Sich-Verstehen.“

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