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Das Nein aus Rom zu Segnungen homosexueller Paare hat den gegensätzlichen Effekt ausgelöst: Mehr als 2.000 Seelsorgende sagen öffentlich, sich nicht daran zu halten. Stefan Rau, Pfarrer von St. Joseph in Münster-Süd und damit auch der Queer-Gemeinde der Stadt, ist einer von ihnen. Zugleich leitet er die Liturgiekommission des Bistums, die bereits an Entwürfen für solche Feiern gearbeitet hat. Was sagt er zum römischen Verbot? Und wie sollten solche Segnungsgottesdienste gestaltet werden?
Pfarrer Rau, der Vatikan hat die Segnung homosexueller Paare verboten. Wie kommt das bei Ihnen als Pfarrer einer Pfarrei an, in der regelmäßig Queer-Gottesdienste gefeiert werden?
Wenn man die Glaubenskongregation danach fragt, was kirchliche Lehre ist, darf man keine prophetische Zukunftsweisung erwarten. Das ist auch nicht der Job der Glaubenskongregation. Gleichwohl: Die Kurie in Rom ist das eine – die pastorale Praxis das andere. Wir haben in unserer Pfarrei mehrere schwule und lesbische Paare, die ganz selbstverständlich im Gemeindeleben dabei sind, auch in liturgischen Diensten als Kantoren, Lektorinnen, Kommunionhelfer. Zudem ist in unsere Pfarrei in der Tat die Queer-Gemeinde Münsters integriert, die mit Wissen der Bistumsleitung und mitunter auch mit Beteiligung von Weihbischof Dieter Geerlings ein sehr intensives Gemeindeleben gestaltet. Wir versuchen, Gegenwart des Lebens und Zukunft der Kirche zu leben.
Sind Sie von schwulen oder lesbischen Paaren schon gebeten worden, sie zu segnen?
Interessanterweise haben mich gerade am vergangenen Wochenende, also inmitten des großen Rauschens nach dem vatikanischen Nein, gleich zwei schwule Paare gebeten, sie in der nächsten Zukunft zu segnen. Übrigens war unsere Kirche am vergangenen Wochenende trotz des römischen Dokuments nicht leerer, sondern am Sonntag sogar besser besucht als sonst. Viele erleben hier offenbar eine Kirche, die mit ihnen und ihrem Leben zu tun hat. Sie erfahren einen lebendigen Glauben in der Solidarität einer ganzen Gemeinde. Sicherlich empfinden viele die Äußerung Roms als abstoßend, sodass sie die Kirche verlassen. Bei uns gibt es aber auch das Umgekehrte, nämlich Vertrauen, Fortschritt und Willkommen.
Und? Werden sie die beiden Paare segnen?
Selbstverständlich. Das haben wir bisher schon gemacht, und das werde ich auch in Zukunft tun.
Wie denkt die Liturgiekommission des Bistums über Segnungsgottesdienste für homosexuelle Paare? Wie ist die Haltung von Bischof Genn?
Als ich vor drei Jahren vom Bischof zum Vorsitzenden der Kommission berufen wurde, habe ich zusammen mit Nicole Stockhoff, der Liturgiereferentin unseres Bistums, ein Gespräch mit ihm über künftige Themen unserer Arbeit geführt. In Absprache mit ihm hat die Liturgiekommission dann an Segensfeiern für verschiedene Personen und sehr unterschiedliche Lebenssituationen gearbeitet, dazu gehörten auch Segensfeiern für homosexuelle Paare. Im vergangenen Jahr hat der Bischof dann darum gebeten, diese Arbeit zunächst ruhen zu lassen, weil der Synodale Weg sich damit beschäftigt. Da wolle er abwarten und nicht als Bistum Münster vorpreschen, was wir gut nachvollziehen konnten. Wir fühlten uns nicht ausgebremst, sondern – im Gegenteil – vom Bischof ermutigt.
Wie könnte eine solche Segensfeier aussehen – was gehörte unbedingt dazu, was wäre zu beachten, etwa auch mit Blick auf die Unterscheidbarkeit zum Sakrament der Ehe bei heterosexuellen Paaren?
Wir haben vor anderthalb Jahren mit unserer Queer-Gemeinde ein großes Kolloqium mit mehr als 80 Teilnehmenden und Weihbischof Geerlings veranstaltet. Da gab es natürlich auch die Frage, warum Schwule und Lesben nicht katholisch heiraten können. Ob zwei Männer oder zwei Frauen dieselbe Form brauchen wie ein heterosexuelles Paar – das ist eine sehr tief gehende Frage.
Eine Segensfeier jedenfalls hat nach guter katholischer Tradition einige klare Elemente: das Lob Gottes angesichts dieser Situation, eine biblische Lesung, schließlich ein größeres Segensgebet, in dem Gott gedankt und auch gebeten wird, dass er, was wir ihm hier vorstellen, zum Guten führen möge. Das ist ein wichtiger Gedanke, den ich bei allen Segensfeiern betonen und auch gegenüber Rom in die theologische Diskussion bringen würde: Segensfeier heißt ja nicht: Was wir hier segnen, ist automatisch gut. Es geht ja nicht um Magie! Es geht um einen Dank an Gott, aber auch um einen Auftrag. Etwas flapsig gesagt: Wenn ich ein Auto segne, kann damit anschließend trotzdem völlig rücksichtlos gefahren werden. Auch eine sakramentale Ehe kann zu tragischer Lieblosigkeit führen – übrigens eine lesbische oder schwule Beziehung ebenso. Und wir haben erlebt, dass die Priester- oder Bischofsweihe nicht automatisch vor Missbrauch schützt.
Also: Ein Gebet nimmt die Situation ernst, bittet Gott um Beistand dafür, dass das, was hier begonnen und gesegnet wird, auch in Zukunft mit seiner Hilfe und unserem guten Tun vorankommt.
Mit welchen liturgischen Gesten könnte das in einer solchen Feier ausgedrückt werden?
Bei den Feiern, die ich geleitet habe, waren sich alle Beteiligten einig: Wir spielen hier nicht Trauung. Das ist bei den Zeichen wichtig. Weiße Brautkleider, Ringtausch und die Stola um die verschlungenen Hände des Paars – das wäre bis zu einer theologischen Klärung nicht angebracht. Zur Segnung kann die Handauflegung etwa auf die Schultern der beiden gehören, die Segnung mit Weihwasser, die Übergabe eines Symbols der Gemeinschaft.
Nun soll es am 10. Mai offene Segnungsgottesdienste in verschiedenen Kirchen Deutschlands geben. Der richtige Weg?
Ich habe das mit einiger Überraschung wahrgenommen. Natürlich ist es nichts Falsches, Menschen zum Segen einzuladen. Ich habe zum Schluss unserer vergangenen Sonntagsmesse auch nicht den schwulen und lesbischen Menschen in der Gemeinde gesagt, sie mögen doch bitte vor dem Segen die Kirche verlassen, natürlich werden sie mitgesegnet. Auch bei den Segnungsfeiern am Valentinstag waren bei uns in den vergangenen Jahren immer alle eingeladen, das ist doch überhaupt keine Frage. Insofern weiß ich aber nicht, ob diese allgemeinen und offenen Segensfeiern am 10. Mai der richtige Impuls dafür sind, worum es aktuell geht. Es sollen doch nicht zwei einzelne Menschen gesegnet werden – was der Vatikan übrigens logischerweise ausdrücklich billigt –, sondern es geht meines Erachtens darum, die Lebensbeziehung, das Versprechen von zwei Menschen zu segnen. Ob das in einer solchen allgemeinen Segensfeier zum Ausdruck kommt, weiß ich nicht.
Könnten diese Segnungsgottesdienste ein erster Schritt sein, um den Forderungen durch das Schaffen von Tatsachen mehr Nachdruck zu verleihen?
Ich will nie ausschließen, wo es überall Schritte nach vorne geben kann. Mir scheint eine pastorale Praxis vor Ort wichtig, die sich bemüht, im Sinn des Evangeliums alle ernsthaften Lebens- und Glaubenswege mit Gottes Segen zu stärken. Und ich bin froh über den Impuls von Bischof Franz-Josef Overbeck und anderen, die nun eine offene Diskussion über den theologischen Status Quo erwarten, wie ihn der Vatikan vorgetragen hat. Unser Glaube ist doch etwas Lebendiges, Dynamisches, der sich immer wieder entwickeln darf. Ob zu dieser Entwicklung auch diese Segensfeiern helfen? Vielleicht sind sie ein erster Schritt, mag sein.