Nach dem Treffen des ukrainischen Präsidenten mit Franziskus

Selenskyj: Papst kann uns helfen – Aufruf zu klarer Russland-Kritik

  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft nach seinem Treffen mit Papst Franziskus auf dessen Unterstützung – und auf klare Kritik an Russland.
  • Das Gespräch mit dem Papst sei so gewesen, dass es „wirklich die Geschichte beeinflussen“ und beitragen könnte, die russische Aggression gegen die Ukraine zu stoppen, sagte er.
  • Er habe Franziskus Einzelheiten der ukrainischen „Friedensformel“ dargelegt.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft nach seinem Treffen mit Papst Franziskus auf dessen Unterstützung – und auf klare Kritik an Russland. Das Gespräch mit dem Papst im Vatikan sei so gewesen, dass es „wirklich die Geschichte beeinflussen“ und beitragen könnte, die russische Aggression gegen die Ukraine zu stoppen, sagte er in einer Videobotschaft an seine Landsleute. Er habe Franziskus Einzelheiten der ukrainischen „Friedensformel“ dargelegt und ihn unter anderem gebeten zu helfen, dass die von den russischen Besatzern entführten ukrainischen Kinder zu ihren Familien zurückkehren.

„Ich glaube, dass der Wille und die Aufrichtigkeit Seiner Heiligkeit die Umsetzung unserer Friedensformel näherbringen kann, einen gerechten und ehrlichen Frieden näherbringen kann“, so Selenskyj. Wie das konkret gelingen soll, sagte er nicht. Die Führung in Kiew fordert vor allem die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine und die Bestrafung aller Kriegsverbrecher.

„Opfer und Aggressor nicht gleichsetzen“

Der ukrainische Präsident dankte dem Papst auf Twitter „für seine persönliche Aufmerksamkeit für die Tragödie von Millionen Ukrainern“. Erneut äußerte er sich kritisch zur bisherigen Neutralität des Vatikans gegenüber den Kriegsparteien.

Bei der Begegnung habe er Franziskus gebeten, „die russischen Verbrechen in der Ukraine zu verurteilen“. Man könne „Opfer und Aggressor nicht gleichsetzen“. Der Papst vermied bisher stets, den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Kriegsschuldigen zu benennen und erwähnte auch die am Krieg leidenden Menschen in Russland.

Die Rolle des Vatikans

Es war Selenskyjs zweiter Besuch im Vatikan seit seiner Wahl zum Präsidenten 2019. Bereits im Februar 2020 empfing ihn Franziskus. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 telefonierten beide drei Mal. Der Vatikan vermittelte beim Austausch von Kriegsgefangenen und bemüht sich um humanitäre Hilfe für die nach Russland entführten ukrainischen Kinder.

Am Sonntagnachmittag nahm Selenskyj in Aachen den Karlspreis entgegen, auch stellvertretend für sein Volk. Der Preis wird seit 1950 an Personen und Institutionen vergeben, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben.

In einem Gottesdienst im Vorfeld der Karlspreis-Verleihung hat der Aachener Bischof Helmut Dieser mit deutlichen Worten Gewalt im Namen der Religion verurteilt. Er distanzierte „aufs Deutlichste“ von Positionen des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill. „Es kann keine christliche Ideologie eines russischen Imperiums geben, in das hinein Völker gegen ihre freie Wahl gezwungen und kriegerisch unterworfen werden dürften“, so Dieser.

Ein schwerwiegendes Argument gegen die Religion sei ihre Verbindung mit Gewalt – das zeige auch die Geschichte des Christentums: „Wo immer Staat, Nation und Kirche eins werden und keine kritisch-konstruktive Distanz mehr zueinander wahren, drohen alle Niederlagen der Menschlichkeit, wie wir sie zurzeit in der Einflusssphäre der russischen imperialen Ideologie zu beklagen haben“, sagte Dieser. | KNA

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