Film über #OutInChurch erhält katholische Auszeichnung

Sexualmoral-Streit beim Medienpreis – Marx: Diskriminierung muss enden

  • Die Dokumentation "Wie Gott uns schuf - Coming-Out in der Katholischen Kirche" hat den Katholischen Medienpreis erhalten.
  • Bei der Verleihung demonstrierten Vertreter von #OutInChurch für Reformen beim katholischen Arbeitsrecht.
  • Auch Diskriminierungen in der kirchlichen Sexualmoral wurden kritisiert.

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Die Situation queerer Menschen in der katholischen Kirche hat am Donnerstagabend für eine kirchenpolitisch brisante Debatte gesorgt. Bei der Verleihung des Katholischen Medienpreises wurde erneut deutlich, wie mühsam die Kirche um Antworten ringt, wenn es um ihre Sexualmoral geht.

Anlass war die Vergabe des Preises an die ARD-Dokumentation "Wie Gott uns schuf - Coming-Out in der Katholischen Kirche". In dem Film hatten sich Mitarbeitende der katholischen Kirche als queer geoutet - also etwa als homosexuell oder transgender.

Anne Will: Der Film ist ein Befreiungsschlag

Zeitgleich zur Ausstrahlung der Doku im Januar war die Initiative #OutInChurch an die Öffentlichkeit gegangen, in der neben den Protagonisten des Films weitere Katholikinnen und Katholiken öffentlich über ihre Sexualität und Geschlechtsidentität sprachen. Film und Initiative hatten große Debatten ausgelöst - über die Sexualethik der Kirche und über das katholische Arbeitsrecht, nach dem bisher etwa in einer homosexuellen Partnerschaft lebenden Mitarbeitenden gekündigt werden kann.

Wie weit - oder auch nicht - die Debatte geführt hat, zeigte die Preisverleihung. Die Journalistin und Moderatorin Anne Will nannte den Film von Hajo Seppelt, Katharina Kühn, Marc Rosenthal und Peter Wozny in ihrer Laudatio eine "kollektive Erleichterung": Es habe den Film gebraucht, damit die Protagonisten "den Mut fanden, sich zu öffnen. Der Film ist damit mehr als ein Film. Er ist ein monumentaler Befreiungsschlag."

Kommt ein liberaleres katholisches Arbeitsrecht?

Die prämierte Doku "Wie Gott uns schuf" mit zahlreichen ergänzenden Beiträgen ist in der ARD-Mediathek abrufbar.

Die Doku habe geleistet, was die Kirche "selbst hätte leisten müssen", fügte Will hinzu. Hinter das Coming-Out ihrer Mitarbeitenden dürfe sie nicht mehr zurück. Nach der Dokumentation hatten viele deutsche Bischöfe Gespräche angeboten und versprochen, sich für eine Reform des Arbeitsrechts einzusetzen. #OutInChurch sprach aber mehrfach von "Lippenbekenntnissen", denen bisher keine Taten gefolgt seien.

Eine weitreichende Liberalisierung des katholischen Arbeitsrechts galt lange Zeit als sicher, mittlerweile vermuten einzelne Beobachter, es könne vielleicht nur eine kleinere Kurskorrektur werden. Wie es weitergeht, entscheiden die Bischöfe am 21. und 22. November.

Marx für Änderung

Sollten sie für den derzeitigen Entwurf votieren, könnte es zu gravierenden Änderungen kommen. Als einziger Kündigungsgrund würde dann "kirchenfeindliches Verhalten" erhalten bleiben - und die "Schlafzimmer" der Mitarbeitenden wären nicht mehr von Interesse.

Bei der Preisverleihung sprach sich der Münchner Kardinal und katholische Medienbischof Reinhard Marx für eine rasche und grundlegende Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts aus: "Queere Menschen gehören zu uns und müssen auch in der Kirche arbeiten dürfen."

Anne Will: Menschenverachtende Diskriminierung

Zuvor hatte Will erklärt: "Auch ich bin lesbisch und weiter - auch zahlendes - Mitglied der katholischen Kirche. Und auch ich möchte, dass die menschenverachtende Diskriminierung queerer Menschen endlich aufhört!" Marx reagierte darauf mit einem: "Ich will auch, dass das aufhört!"

Filmautor Hajo Seppelt und Anne Will ergänzten, mit der Auszeichnung des Films allein sei noch nicht viel gewonnen. Die Kirche müsse im Alltag beweisen, dass sie es ernst meine und ihre Sexualmoral grundlegend verändern: "Menschen müssen ihre Sexualität frei ausleben dürfen, das kann nicht am Veto der katholischen Kirche scheitern." Marx entgegnete, Sexualität habe immer eine ethische Dimension. Daher müsse die Kirche hier Antworten geben.

Nur Lippenbekenntnisse?

Der spontane Schlagabtausch zwischen den Journalisten und dem Kardinal gipfelte in einer Debatte um die katholische Sexualmoral. Will betonte, der Reformprozess der deutschen Katholiken, der Synodale Weg, habe aus Sicht der Reformer kürzlich einen "krachenden Rückschritt" erlitten. Im September hatte dort eine Sperrminorität der Bischöfe ein Grundlagenpapier zu einer erneuerten Sexualmoral verhindert.

#OutInChurch hatte sich nach diesem Votum ernüchtert gezeigt. Auch vor der Vergabe des Medienpreises warfen sie den Bischöfen den Versuch "einer reinen Imagekampagne auf dem Rücken queerer Menschen" vor. Die Bischofskonferenz hingegen erklärte, die Entscheidung über den Preisträger sei von einer Jury und nicht von den Bischöfen getroffen worden.

Banner bei der Preisverleihung

Auch waren Vertreterinnen und Vertreter von #OutInChurch nach eigenen Aussagen nicht offiziell zur Preisverleihung eingeladen. Letztlich waren dann doch etwa ein Dutzend anwesend. Zu lauten Protesten kam es nicht. Doch standen sie während der Preisverleihung auf und hoben ein Banner hoch: "Diskriminierung beenden, neues Dienstrecht, jetzt!" Die Gäste quittierten es mit stehenden Ovationen.

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