Fehr: Entmutigung und Resignation sind keine Option

Sharon Fehr warnt vor Antisemitismus von Verschwörungstheoretikern

Wenn er auf die derzeit um sich greifenden Verschwörungstheorien und „Hygiene-Demos“ zu sprechen kommt, spricht Sharon Fehr Klartext: „Krisenzeiten waren und sind stets Hochkonjunktur für Judenhass und Antisemitismus.“

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Wenn er auf die derzeit um sich greifenden Verschwörungstheorien und „Hygiene-Demos“ zu sprechen kommt, spricht Sharon Fehr Klartext: „Krisenzeiten waren und sind stets Hochkonjunktur für Judenhass und Antisemitismus“, warnt der geschäftsführende erste Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Münster. „700 Jahre nach der großen Pest in Europa benutzen Verschwörungstheoretiker, Rechts- und Linksextremisten sowie Antizionisten wieder eine Seuche, nämlich Corona, um sich an den Juden auszulassen. Sie sind nicht bereit, dazuzulernen.“

Wer, wie bei der Demonstration der Corona-Leugner am 16. Mai in Münster geschehen, die gegenwärtige schwierige Lage mit 1933 vergleiche, der relativiere damit die Verbrechen des Nationalsozialismus, ja klammere sie komplett aus. „Das ist eine schreckliche Verharmlosung der Nazi-Barbarei und des damaligen Zivilisationsbruchs“, mahnt Fehr, „aber diese Geschichtsverzerrung verbreitet sich und wird geglaubt.“ Deshalb fordert er die Gesellschaft mit Nachdruck auf,   gemeinsam Sorge dafür zu tragen, dass die heute in Deutschland lebenden Juden von den verqueren Anschuldigungen der Verschwörungstheoretiker verschont bleiben. „Wir und alle meine jüdischen Freunde haben an Covid-19 so wenig Schuld wie Christen und andere Religionsgemeinschaften“, hebt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde hervor, in der das religiöse Leben in den letzten Wochen ähnlich zum Erliegen gekommen war wie in den christlichen Gemeinden.

 

Wie die Jüdische Gemeinde Münster die Corona-Krise erlebt

 

Im März war die Synagoge in Münster als eine der ersten bundesweit geschlossen worden, um Maßnahmen der Regierung und des Landes zu unterstützen, die Infektionsketten von Covid-19 zu durchbrechen und die eigenen Mitglieder zu schützen. Die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zeigten für diese Maßnahme volles Verständnis, „aber es lag auch Traurigkeit in der Luft“, berichtet Fehr. Der Zentralrat der Juden in Deutschland bot aber viele verschiedene religiöse Angebote via Internet und Livestream an und ermöglichte auch die Übertragung von Gottesdiensten, so dass die Gemeinde ein gewisses Maß an Verbindung und Nähe aufrechterhalten konnte. Darüber hinaus entwickelten Mitglieder der Gemeinde mit Idealismus und Kreativität die Initiative „Matzes auf Rädern“, nahmen Bestellungen telefonisch an, erstellten Adresslisten, organisierten Fahrdienste und lieferten insbesondere an die älteren und alleinstehenden Mitglieder Matzen, also ungesäuerte, dünne Brotfladen, Matzen-Mehl und verschiedene koschere Weinsorten aus.

Sehr schmerzhaft für die Gemeinde war dann vor allem, dass die Synagoge am Pessachfest, einem der höchsten Feste im jüdischen Kalender, geschlossen bleiben musste und alle Gottesdienste und Veranstaltungen ausfielen. „Andererseits spüren wir jedoch auch, dass das Band, das uns bereits Tausende von Jahren zusammenhält und sich über die gesamte Welt erstreckt, auch durch die Corona-Pandemie nicht zu durchtrennen ist“, freut sich Fehr. „Da unser jüdisches Volk im Laufe seiner Geschichte viele schwere Krisen durchstanden hat, sind Entmutigung und Resignation für uns keine Option.“

 

Erster Gottesdienst nach der Schließung

 

Inzwischen gibt es in der jüdischen Gemeinde ein spürbares Aufatmen, weil an diesem Freitag, zum jüdischen Wochenfest „Schawuot“, der erste Gottesdienst im wieder eröffneten Gemeindezentrum gefeiert werden kann. Eine behutsame Wiederaufnahme aller weiteren gemeindeinternen Freizeitangebote ist für Anfang Juni geplant.

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