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Ein Wort, ein Bild, ein Gedanke - von Beatrice von Weizsäcker
Verschlossenheit ist keine Dimension unseres Glaubens. Er bricht auf, befreit, lässt heraustreten. Mit unbändiger Wucht, aber ohne Gewalt.
Irgendwann einmal stellte der Spiegel die Frage, ob Christian Lindner ein Systemsprenger ist. Es ging um irgendeinen politischen Streit. Vor meinem geistigen Auge sah ich den FDP-Chef und dachte: Wenn er etwas nicht ist, dann das.
“Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt, der große und schreckliche Tag” (Joel 3,4). So kündigt der Prophet Joel Pfingsten an.
“Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder” (Apg 2,1-3). So beschreibt die Apostelgeschichte das Wunder von Pfingsten.
Außerhalb der Norm
Das ist der große und schreckliche Tag: Blut statt Mond, Finsternis statt Sonne. Sturm und Feuer. Ein Systemsprengertag.
Biblische Geschehnisse, unzensiert und ungefiltert. Bilder, die beunruhigen und verunsichern. Die außerhalb der Norm sind.
Wie es Menschen gibt, die außerhalb der Norm sind. Erwachsene, die faszinieren und irritieren, die verstören und stören mit ihrer Angst. Mit ihrem Schmerz. Kinder, die so sind, gibt es auch.
SICHTWEISEN
Ein Wort, ein Bild, ein Gedanke – das sind die „Sichtweisen“, die einmal in der Woche ins Nachdenken bringen wollen, Welten eröffnen, Leben entdecken, Gott suchen helfen. Menschenlebensnah und gottverbunden. Jeder Monat wird von einer Autorin oder einem Autoren textlich gestaltet; die Redaktion von Kirche+Leben sucht zu dem jeweiligen Stichwort frei ein Foto.
Eingesperrt und fixiert
Kinder, die sagen „Ich hasse dich“ und meinen „Ich brauche dich“. Kinder, die wie Benni im Film „Systemsprenger“ nach ihrer Mutter rufen, zehn, fünfzehnmal ins Echo des Waldes hinein: Mama, Mama, Mama, Mama, Mama, Mama … bis ihre Stimmt bricht. Doch die Schreie verhallen und keine Antwort kommt. „Mama hasst mich“, sagt Benni.
Und als ihr Betreuer anhebt zu sagen, „Nein, sie …“, unterbricht sie ihn. „Sei leise.“ Benni wird eingesperrt, wird mit Gurten im Bett fixiert und mit Medikamenten ruhiggestellt, weil sie sich wehrt und um sich schlägt und sich selbst verletzt, bis das Blut ihre Stirn herunterfließt, in ihre Augen. Auf ihrem Schlafanzug ist eine Eule. Die ist auf einem Auge blind.
Benni ist nicht das einzige Kind, das so ist.
Gott sperrt keinen ein
Blut und Finsternis und Sturm. Mit Feuerzungen kam der Heilige Geist auf die Jünger herab. Ihr Gott ist einer, der die Systeme der Menschen sprengt, ihre Mächte und Gewalten.
Einer, der die Fesseln löst, der die Grenzen niederreißt und Freiheit bringt. Er ist der Gott, der keinen einsperrt und betäubt. Der niemanden wegnimmt, der das Leben stört.
Es ist der Gott, der Pfingsten bringt.
Der große und herrliche Tag
“Ich werde Wunder erscheinen lassen droben am Himmel und Zeichen unten auf der Erde: Blut und Feuer und qualmenden Rauch. Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt, der große und herrliche Tag. Und es wird geschehen: Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden” (Apg 2,19-21).
Das ist der große und herrliche Tag: Gott, der Systemsprenger, rettet.
Davon ist Christian Lindner meilenweit entfernt.