Themenwoche "Bestattungskultur" (4): Annemete Hein ist Sängerin bei Trauerfeiern

Sie singt am Grab – von Bach bis Helene Fischer

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Es sei ihre Erfahrung, dass Live-Musik besser hilft, den Trauerprozess in günstigere Bahnen zu lenken, sagt Annemete Hein. Sie ist seit vielen Jahren in Münster als Sängerin bei Trauerfeiern dabei und bietet „Musik fürs Leben“.

In der Familie der Pfarrerstochter aus dem Lipperland spielte Musik immer eine große Rolle. Mit 13 Jahren begann Annemete Hein eine Ausbildung zur Organistin. Außerdem beherrscht sie Klavier, Blockflöten, Geige und Tenorhorn. Und natürlich bekam der Gesang eine wachsende Rolle, als die Entscheidung fiel, das Theologie-Studium nach dem ersten Kirchlichen Examen abzubrechen. „Ich hätte zu lange auf die Fortsetzung der Ausbildung warten müssen“, erinnert sie sich.  „Ich machte dann einfach das weiter, was ich schon während des Studiums getan hatte, nur häufiger und mit Sologesang in einer immer anwachsenden Zahl an Fremdsprachen“.

Schon früh hatte sie bei Trauerfeiern ihres Vaters an der Orgel gesessen. „Damals reichte es aus, zwei bis drei Choräle begleiten zu können, außerdem ein Vorspiel und ein Nachspiel, dann ging der Trauerzug aus der Kirche das Dorf hinunter auf den Friedhof“, erzählt sie. Bereits während ihres Studiums in Bethel kamen viele Anfragen, Trauerfeiern zu begleiten. „ Es  war und ist mir wichtig, nicht nur für die Angehörigen zu spielen. Oft habe ich mich schon eine halbe Stunde vor der Trauerfeier in der Kapelle an die Orgel gesetzt, um dem Verstorbenen meine schönsten Stücke vorzuspielen.“

Ein Hit von Bonhoeffer

Die Mitgestaltung einer Trauerfeier ist für Annemete Hein immer ein Stück „Musik fürs Leben“ – das diesseitige ebenso wie das jenseitige, betont sie. | Foto: privat
Annemete Hein. | Foto: privat

Welche Musik  wünschen sich Angehörige heute in der Trauerhalle oder am Grab? „Das reicht vom ,Ave Maria‘ bis ,Zeige uns den Weg‘. Das in Münster wohl am meisten gesungene Lied (nicht nur) bei Trauerfeiern ist ,Von guten Mächten treu und still umgeben‘ von Dietrich Bonhoeffer. Das ist auch bei jeder zweiten ,weltlichen Trauerfeier‘ zu hören“, weiß die klassisch ausgebildete Sängerin. Angehörige, die der katholischen Kirche noch stärker verbunden sind, wählen Lieder wie ,Großer Gott, wir loben dich‘ oder ,Wir sind nur Gast auf Erden‘. Von evangelischer Seite her wird etwa ,So nimm denn meine Hände‘ oder ,Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott‘ gewünscht. Was Katholiken und Evangelische im kirchlichen Trauergesang verbindet, sind Lieder wie ,Heilig, heilig, heilig‘ von Franz Schubert und besonders der irische Segen ,Möge die Straße uns zusammenführen‘.“

Auffallend sei, dass zunehmend Musical- oder Popsongs, ab und zu ein Volkslied, das im Leben des Verstorbenen oder der Familie eine Rolle gespielt hat, auf der Wunschliste der Angehörigen stehen. Das reiche von „Memories“ aus „Cats“ oder „Könntest du noch einmal bei mir sein“ aus dem Phantom der Oper bis zu  „Geboren um zu leben“ von der Gruppe „Unheilig“. Auch Trude Herrs „Niemals geht man so ganz“ oder Helene Fischers „Gib mir deine Hand ein letztes Mal“ hat Annemete Hein schon an Gräbern gesungen. „Filmmusik oder Schlager, eben die Musik, die die Menschen in ihrem ‚normalen‘ Leben begleitet, wird bei Trauerfeiern immer wichtiger“, sagt sie – und das sei halt nicht mehr so sehr die Kirchenmusik.

Die Verantwortung der Musik

Mehr zum Thema unter www.musikfuersleben.de

„Inzwischen habe ich quasi einen „Kundenstamm“, das heißt, dass Familien, bei denen ich Trauerfeiern gestaltet habe, mich auch gerne zu Hochzeit und Taufe anfragen oder auch bitten, weitere Trauerfeiern zu übernehmen.“

Auch eine Erfahrung der jüngeren Vergangenheit: „Da die Zahl der Einäscherungen stark zugenommen hat, trifft man sich häufig vor der Trauerhalle und geht sofort zum Grab.“ Da sei oft  eben – durchaus auch aus Kostengründen – die musikalische Konserve gefragt. Durch die Corona-Pandemie hätten sich die Menschen zusätzlich an Bestattungen „im engsten Familienkreis“ ohne Trauerhallen-Nutzung gewöhnt.

Wenn Annemete Hein aber singt – egal, ob Opernarie, Schlager oder Kirchenlied –, dann spürt sie die verantwortungsvolle Aufgabe, „Angehörige mit Hilfe der Musik wieder neue Schritte ins Leben gehen zu lassen“.

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