Wie sich die Flüchtlingshilfe von Inge Ortmann gewandelt hat

Sie wollte Flüchtlingen helfen und fand eine Freundin

Es gibt weniger Menschen in der freiwilligen Flüchtlingshilfe, klagen Fachleute. Ist das wirklich so? Inge Ortmann aus Steinfeld-Mühlen hilft Flüchtlingen seit anderthalb Jahren. Wie sich ihre Hilfe änderte und warum sie noch immer wichtig ist.

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Zu Hause bei der syrischen Familie Al Khatib in der Dorfstraße in Steinfeld-Mühlen ist es still an diesem Morgen. Vater Mohamad und der älteste Sohn Ismael sind bei der Arbeit, die fünf jüngeren Kinder Maissa, Ibrahim, Ahmad, Soumaja und Abdullah in der Schule, Enkelsohn Shadi im Kindergarten. „Das ist für mich ganz ungewohnt. Normalerweise ist es hier immer sehr wuselig, wenn ich komme“, sagt Inge Ortmann und lacht.

Die 53-Jährige hat sich an den Küchentisch gesetzt, vor Kuchen und Tee, Äpfel und Cracker. Auf Einladung von Aishe Al Khatib (38), der Mutter des Hauses. „Heute brauche ich einmal gar nichts von Dir, Inge. Heute bist Du endlich einmal nur mein Gast“, sagt sie und fasst der Mühlenerin dabei liebevoll an den Arm.

 

„Wenn ich so allein wäre ...“

 

Inge Ortmann engagiert sich für Flüchtlinge. Im März 2016 zogen zwei syrische Familien, darunter die Al Khatibs, sowie mehrere Männer ins Kloster des Ortes. Sie wollte helfen. „Ich habe mir einfach vorgestellt, meine Familie und ich müssten unser Land verlassen und wären auf uns allein gestellt. Niemand flüchtet doch freiwillig aus seiner Heimat.“

Den ersten Besuch machte Inge Ortmann am Karsamstag 2016. Eine Bekannte, die sich bereits länger einsetzte, schlug vor, die Neuankömmlinge im Kloster zu besuchen. „Wir hatten gerade vom Kirchenchor aus Eier bunt gefärbt. Da gingen wir mit einer Palette Ostereier ins Kloster“, erzählt sie. Ihr sei schon etwas mulmig zumute gewesen, regelrecht Herzklopfen habe sie damals gehabt. „Du weißt ja nicht, wie Du empfangen wirst. Und dann die Sprache!“

 

Sie wurde eine Patin der Familien

 

Die Küche sei voll mit Menschen gewesen, erinnert sich Inge Ortmann. Mittendrin: Aishe Al Khatib. Mit offenen Armen und einem Lächeln im Gesicht sei sie ihr entgegengekommen. „Da war sofort Sympathie zwischen uns“, sagt Inge Ortmann heute.

In der folgenden Woche besucht sie die geflüchteten Menschen erneut. Sie wird so etwas wie eine Hauspatin. Sie sammelt Kleidung und Schuhe für die Flüchtlinge, begleitet sie bei Einkäufen, bei Behördengängen und Arztbesuchen. „Anfangs haben wir uns nur mit Händen und Füßen verständigt“, erinnert sie sich. Inge Ortmann hatte aber auch Zeit für die neue und besondere Aufgabe. Ihre vier Kinder seien nämlich schon aus dem Haus, berichtet die Bürokauffrau.

 

Es gab auch kritische Fragen

 

Zunächst hätten nicht alle im Ort positiv auf ihren neuen Einsatz reagiert, berichtet sie. „Es gab Fragen: Hast Du keine Angst vor den Männern? Sind Muslime nicht böse? So etwa.“

Die Familie Al Khatib ist dabei, sich in Mühlen ein neues Leben aufzubauen. Auch dank Inge Ortmann. „Und vielen anderen Helfern“, sagt Aishe Al Khatib. „Die haben auch dafür gesorgt, dass wir in dieses schöne Haus ziehen durften.“ Zudem konnte Vater Mohamad im Ort als Metallbauer anfangen, Sohn Ismael erhielt im selben Betrieb eine Lehrstelle.

 

Die Familie scheint anzukommen

 

„Nach und nach habe ich in der Familie immer weniger Aufgaben gehabt“, sagt Inge Ortmann. „Sie sprechen immer besser Deutsch, sie passen sich in das Ortsleben ein, sie scheinen mehr und mehr anzukommen. Das macht mich sehr, sehr froh“.
Sich deshalb aus der Flüchtlingsarbeit zurückziehen – das kommt für Inge Ortmann aber noch lange nicht in Frage. Zusammen mit anderen Frauen gibt sie in der Grundschule einmal in der Woche Deutsch für die Kinder einer irakischen Familie, die erst seit kurzem in Mühlen sind.

Aishe Al Khatib bringt bald ihr achtes Kind zur Welt. „Ich werde sie und ihre Familie weiter besuchen. Und wenn ich dabei nur mit ihnen Kuchen esse“, sagt Inge Ortmann lachend. Aishe nickt. „Wir sind ja schließlich Freundinnen.“ Dann nehmen sich die beiden in den Arm.

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