Plattes Land, heile Welt und immer noch volle Kirchen?

Sieben Vorurteile gegen das Oldenburger Land: Was ist da dran?

Abgestempelt, in Schubladen gesteckt: das ist bequem, schadet aber dem Miteinander. In unserer Serie gehen wir gängigen Vorurteilen auf den Grund und konfrontieren Betroffene damit. Heute: Pfarrer Jan Kröger aus Oldenburg.

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Abgestempelt, in Schubladen gesteckt: das ist bequem, schadet aber dem Miteinander. In unserer Serie gehen wir gängigen Vorurteilen auf den Grund und konfrontieren Betroffene damit. Heute: Pfarrer Jan Kröger aus Oldenburg.

Voruteil 1: Im Oldenburger Land gibt es nur Land und Landwirtschaft.

Ich arbeite jetzt in Oldenburg, der zweitgrößten Stadt des Bistums, mit einer blühenden Universität und geprägt von Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. Ich erlebe in meiner Gemeinde Katholiken aus 64 Nationen. In unseren beiden anderen großen Städten Wilhelmshaven und Delmenhorst geht es ähnlich bunt zu. Südoldenburg mit den Kreisen Cloppenburg und Vechta ist sicher auch durch die intensive Landwirtschaft geprägt. Aber doch nicht nur!

Voruteil 2: Im Oldenburger Land leben überall nur reiche Bauern in blühenden Landschaften.

Man muss nur in den sozialen Beratungsstellen der Caritas fragen, in den Caritaswerkstätten für schwer vermittelbare Jugendliche oder bei den sozialen Diens­ten der Malteser. Da bekommt man sehr, sehr schnell ein anderes Bild. Das habe ich selbst ganz deutlich erlebt, wenn ich sonntags Gottesdienste in der Wesermarsch gefeiert habe. Da entvölkern sich Städte geradezu, weil es kaum Arbeit gibt. Da leben viele Menschen in ganz schwierigen Verhältnissen. In Wilhelmshaven ist es wahrscheinlich ähnlich. Auch in Südoldenburg gibt es nicht einfach nur Reichtum.

Voruteil 3: Im Oldenburger Land sind die Kirchen immer und überall noch voll.

Pfarrer Jan Kröger.
Jan Kröger ist Pfarrer von St. Marien in Oldenburg. Gebürtig aus Münster, zunächst Kaplan in Vechta, dann Schul- und Stadtjugendseelsorger in Oldenburg. Präses der Katholischen Landjugend im Landesverband Oldenburg. | Foto: Ludger Heuer (bpv)

Eines stimmt wohl: Das Oldenburger Land ist die Region im Bistum, mit der höchsten Quote an Gottesdienstbesuchern. Aber auch bei uns kommen inzwischen acht oder neun von zehn Katholiken nicht mehr zum Gottesdienst. Es ist mittlerweile auch nicht leicht, Menschen zu finden, die sich in der Gemeinde einsetzen wollen, vielleicht für den Pfarreirat, den Kirchenausschuss oder in der Firmvorbereitung.  Aber das kenne ich auch aus anderen Gemeinden. In Südoldenburg ist die Kirche allerdings äußerlich noch sehr präsent. Bestimmte Rituale sind nach wie vor lebendig. In Vechta habe ich noch große Beerdigungen mit mehreren hundert Trauernden erlebt. Das ist hier in der Stadt undenkbar.

Voruteil 4: Im Oldenburger Land sind die Pfarr­gemeinden noch sehr traditionell.

Vielleicht haben Menschen, die zur Kirche gehen, allgemein einen eher konservativen Zug. Aber wenn man auf die Bewegung Maria 2.0 schaut: Die hat auch hier in der Stadt ein großes Echo gefunden in einer Unterschriftenaktion. Daran ist ja nichts traditionell oder konservativ. Und im Gemeindealltag habe ich schon als Kaplan in Vechta erlebt, wie lebendig unsere Gemeinden mit ihren Projekten sein können. Da gab es besondere Gottesdienste wie eine Jazz-Licht-Messe oder neue Modelle in der Vorbereitung auf die Sakramente.

In Cloppenburg ist gerade die Jugendkirche „Update“ aufgebaut worden. Ich glaube: Unsere Gemeinden haben oft sogar einen sehr innovativen Zug. Manches ergibt sich auch aus der besonderen Lage einer Gemeinde. Wir haben hier in Oldenburg regelmäßig einen Sonntagsgottesdienst auf Englisch. Da haben die 64 Nationen in unserer Gemeinde einen Gottesdienst, den alle gemeinsam wirklich verstehen können.

Voruteil 5: Auch im Oldenburger Land hat die Jugend doch keinen Draht mehr zur Kirche.

Als ich aus Münster nach Vechta kam, war ich überrascht, wie aktiv die Jugend hier ist. Das erlebe ich auch weiter so, als Landespräses der Katholischen Landjugend. Wir haben 59 Ortsgruppen, in jeder der alten Landgemeinden gibt es die noch. Und die Mitgliedszahlen steigen. Wir haben gerade die 60. Gruppe hier in der Stadt Oldenburg gegründet, die erste in einer Großstadt und dann noch in der Diaspora. Wir haben mit der Landjugend die erste 72-Stunden-Aktion überhaupt gestartet, die wurde dann Jahre später im Bistum Müns­ter und dann bundesweit übernommen. Das ist eine Idee unserer Jugend gewesen. Sicher finde ich die Jugendlichen nicht alle sonntags in der Kirche, und ob alle Messdiener zum Dienen kommen, ist auch nicht überall sicher. Aber mir ist klar geworden: Der Draht zur Kirche bemisst sich für Jugendliche nicht einfach am sonntäglichen Kirchgang.

Voruteil 6: Im Oldenburger Land leben im Norden nur wenig Katholiken, da steht es ganz schlecht um die Gemeinden.

Kleine Gemeinden, das vielleicht. Aber sehr lebendig. Die Menschen in der Stadt kommen sehr bewusst zur Kirche, nicht einfach nur, weil Sonntag ist. Wir müssen also gut sein in unseren Gottesdiensten – sonst kommen sie nicht. Die Menschen hören sehr genau zu bei der Predigt und geben immer eine Bewertung ab. Das habe ich früher so nicht erlebt. Sie sprechen mich immer bei unserem Kirchenkaffee an. Hier in Nordoldenburg ist es undenkbar, dass man nach der Kirche einfach nach Hause geht.

Voruteil 7: Das Oldenburger Land ist nur so eine Art Anhängsel im Bistum Münster.

Wir haben hier ein selbstbewusstes eigenes Profil. Wir haben mit dem Bischöflichen Offizialat in Vechta eine eigene Kirchenbehörde, wie ein Generalvikariat, aber mit bischöflicher Amtsgewalt. Steht alles im Vertrag von Oliva von 1831. Die Region hat zu Recht ein starkes Selbstbewusstsein. Unser seliger Clemens August von Galen war schließlich ein Oldenburger.

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