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Abgestempelt, in Schubladen gesteckt: das ist bequem, schadet aber dem Miteinander. Unsere Serie geht gängigen Vorurteilen auf den Grund und konfrontiert Betroffene damit. Diesmal mit dem Mönch Daniel Hörnemann.
Abgestempelt, in Schubladen gesteckt: das ist bequem, schadet aber dem Miteinander. Unsere Serie geht gängigen Vorurteilen auf den Grund und konfrontiert Betroffene damit. Diesmal mit dem Mönch Daniel Hörnemann.
Vorurteil 1: Wer ins Kloster geht, will sich den Herausforderungen der Welt draußen nicht stellen, weil er mit dem ganz normalen Leben heute nicht klar kommen würde.
Auch Klöster sind in den Kontext dieser Welt gestellt und können sich deren Herausforderungen gar nicht entziehen. Es gibt keine „Inseln der Seligen“, keinen Ort, wo alle ein Herz und eine Seele sind. Wer sich aus der Wirklichkeit dieser Welt flüchten will, muss berücksichtigen, dass er sich auch ins Kloster immer selbst mitnimmt, mit allen Problemen, Krisen, Fragen und Zweifeln. Mönche stellen sich der Herausforderung, es mit sich selbst, miteinander und beim lieben Gott auszuhalten. Klöster sind keine Zufluchtsstätten für beziehungsuntaugliche oder lebensüberdrüssige Menschen. Jedes Mitglied soll nach seinen Möglichkeiten seine Talente einsetzen zum Wohl des Ganzen.
Vorurteil 2: Frauen und Männer, die in Klöstern leben, müssen für alles um Erlaubnis fragen.
Bei allem „Gehorsam“ bleiben immer noch der persönliche Spielraum und die persönliche Verantwortung für das eigene Tun und Lassen. Da hätten Obere aber viel zu regeln, wenn man bei ihnen um jede Kleinigkeit anfragen würde. Neben dem Kleinkram, den man am besten selbst regelt, gibt es natürlich Dinge, die der Kommunikation bedürfen. In der Absprache wird deutlich, was wirklich notwendig und dran ist oder worauf ich auch gut verzichten kann. Jede Gemeinschaft braucht Strukturen und eine Lebensordnung.
Vorurteil 3: Ordensleute haben keine Ahnung, was in der Welt draußen passiert – und wollen das auch nicht.
Klöster sind keine Gefängnisse, in die nichts von außen eindringt. Mithilfe aller möglichen Medien kommen Informationen über die „Welt da draußen“ auch in die Binnenwelt des Klosters, und als Menschen dieser konkreten Zeit sind Ordensleute gehalten, sich auf politischer und gesellschaftlicher Ebene stets zu informieren. Wie sollten sie denn sonst den Mitmenschen begegnen, die das Gespräch mit ihnen und ihren Rat suchen, wenn sie von nichts Ahnung hätten außer dem Binnenbetrieb des Klosters?
Vorurteil 4: Mönche und Nonnen schlafen immer noch in Schlafsälen – und manche sogar in Särgen.
Wenn ich nicht die Aussicht gehabt hätte auf ein eigenes Zimmer, wäre ich gar nicht erst ins Kloster gegangen. Ein Schlafsaal wäre für mich eine Horrorvision. Der eine schnarcht, der andere verträgt kein offenes Fenster – schrecklich! Auch in der Ewigkeit soll es kein Massenquartier geben, sondern Jesus spricht von den „vielen Wohnungen im Hause seines Vaters“. Gott sei Dank! Der Schlaf ist zwar der „Bruder des Todes“, für das Klischeebild vom Schlafen im Sarg konnte ich allerdings in keinem einzigen Kloster einen Beweis finden.
Vorurteil 5: Es gibt nur noch alte Leute in Klöstern, diese Lebensform stirbt aus.
Im westlichen Europa machen die Kirche und damit auch alle Ordensgemeinschaften die Erfahrung, dass derzeit immer weniger Menschen daran ein lebendiges Interesse haben. Das ist aber nicht in Beton gegossen, wie die Ordensgeschichte zeigt, in der es viele Wellenbewegungen gab. Zurzeit gibt es wesentlich mehr Berufungen in anderen Kontinenten, aber vielleicht ändert sich diese Situation hierzulande auch wieder. Einige Ordensgemeinschaften haben ihren Auftrag erfüllt und gehen ihrem Ende entgegen.
Niemand muss mehr in einen Orden eintreten, um etwa Krankenschwester oder Lehrerin zu werden. Andere Modelle haben durchaus Zukunft. Der älteste Orden, der Benediktinerorden, kennt das Leitwort „Succisa virescit – das Abgeschlagene treibt neu aus“. Das hat sich über Jahrhunderte bewahrheitet. Wir sollten den immer größeren Möglichkeiten Gottes da keine Grenzen setzen. Keine Zukunft sieht, wer innerlich schon mit seinem Leben und dem seiner Gemeinschaft Schluss gemacht hat.
Vorurteil 6: Ordensschwestern und -brüder beten den ganzen lieben Tag lang.
Es wird in den verschiedenen Orden unterschiedlich viel gebetet. Bei uns Benediktinern ergeben die Stundengebete im Durchschnitt über den Tag verteilt drei bis dreieinhalb Stunden. Aber es gibt keinen einzigen Orden, in dem ausschließlich gebetet wird. Immer gehört zum Leben ein Rhythmus der Abwechslung zwischen dem persönlichen spirituellen Leben, dem Gebet in der Gemeinschaft, dem Austausch, dem lebenswichtigen Essen-Trinken-Schlafen, der Arbeit je nach Aufgaben und Talenten des Einzelnen, dem Lesen im weitesten Sinn, das heißt der geistig-geistlichen Kultur und Horizonterweiterung. Das Gebet führt kein Nischendasein, sondern durchwirkt den ganzen Tag. Zum Bruttosozialprodukt trägt es nichts bei, aber wie viele Menschen bitten darum, dass wir an sie denken beim Beten! Dann ist das Gebet auch kein Nur-um-sich-selbst-Kreisen.
Vorurteil 7: Ordensleute verdienen kein Geld und leben nur von Spenden.
An unserer Speisesaaltür steht deutlich: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Eine klare Ansage! Jeder soll zum Ganzen beitragen und sich nicht auf der Arbeit der anderen ausruhen. Ordensleute verdienen in bestimmten Berufen, die sie ausüben, oder Funktionen, die sie innehaben, durchaus Geld. Nur bekommen sie es nicht zum persönlichen Verbrauch, es wandert in die Gemeinschaftskasse. Aus der wiederum leben die Mitglieder der Gemeinschaft. Ohne Geld geht es nicht! Bei keinem Bäcker und an keiner Tankstelle kann ich mit Heiligenbildchen bezahlen. Natürlich wird keine Gemeinschaft Spenden wohlmeinender Menschen zurückweisen, sondern sie verantwortlich einsetzen.