Kirchenrechtler Thomas Schüller über das Bischofswort

Sind jetzt alle Unklarheiten zu „Amoris laetitia“ beseitigt?

Mit einem gemeinsamen Wort zum Papstschrieben „Amoris laetitia“ haben sich die deutschen Bischöfe Zeit gelassen. Bis heute. Aber ist nun alles klarer als vorher? Der münsterische Kirchenrechtler Thomas Schüller erklärt das Schreiben im Interview.

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Mit einem gemeinsamen Wort zum Papstschrieben „Amoris laetitia“ haben sich die deutschen Bischöfe Zeit gelassen. Bis heute. Aber ist mit dem Bischofswort nun alles klarer als vorher? Der münsterische Kirchenrechtler Thomas Schüller erklärt das Schreiben im Interview.

„Kirche+Leben“: Wie bewerten Sie das Wort der Deutschen Bischofskonferenz zu „Amoris laetitia“?

Thomas Schüller: Es greift in pastoral wertschätzender Sprache die wesentlichen Anliegen von Papst Franziskus in seinem Nachsynodalen Schreiben „Amoris laetitia“ auf. Es ist ein pastorales Schreiben, ohne den Anspruch zu erheben, normative Aussagen zu treffen. Die Bischöfe wollen die Ehevorbereitung verstärken und sprechen von einem „verbindlicheren Charakter“.

Was könnte das bedeuten?

Der Aspekt der unzureichenden Ehevorbereitung war ein wichtiges Thema auf der Familiensynode. In der Tat ist es ja verwunderlich, dass angehende Ordensmänner und -frauen sich über einen langen Zeitraum von bis zu sieben Jahren auf ihre endgültige Entscheidung zur Aufnahme in eine Ordensgemeinschaft vorbereiten. Genauso wie Priester, die sich über den gleichen Zeitraum bis zur Weihe prüfen. Beim dritten Stand in der Kirche, der Ehe, dagegen wird weitgehend auf eine inhaltliche, vor allem auf den Glauben bezogene Vorbereitung verzichtet. Das im Schreiben erwähnte Ehekatechumenat könnte ein Hinweis sein, hier verbindlicher die Brautleute vorzubereiten wie es beispielsweise im Erzbistum Wien geschieht. Vielleicht wäre auch an eine gestufte Hinführung zum Sakrament der Ehe zu denken, wie es in der französischen Pastoral zu beobachten ist, die sich mehr Zeit nimmt, mit den Gläubigen auf dem Weg hin zu einer sakramentalen Handlung zu gehen.

Wie zufrieden sind Sie mit dem, was die Bischöfe über Ehen schreiben, die sie bezeichnenderweise als „konfessionsverbindend“ und nicht „konfessionsverschieden“ beschreiben?

Konfessionsverbindend ist kein anerkannter Begriff, ist also im Schreiben pastoral gemeint. In lehramtlichen und kirchenrechtlich verbindlichen Texten ist bis heute unverändert von konfessionsverschiedenen Ehen die Rede. Die Sprache der Bischöfe ist hier ökumenisch sensibel.

Wie bewerten Sie die Äußerungen der Bischöfe über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen?

Die deutschen Bischöfe, die in ihrer Sprachgruppe auf der Synode maßgebliche Impulse gesetzt haben, greifen das Anliegen des Papstes auf, nicht generell diese Gruppe von Personen zur Kommunion zuzulassen, wohl aber im begründeten Einzelfall eine solche Zulassung positiv zu erwägen. Dies war im Übrigen auch schon nach „Familiaris Consortio“ von Papst Johannes Paul II. möglich – allerdings unter der Maßgabe, wie Bruder und Schwester zusammen zu leben.

Die Bischöfe sprechen in dem Kontext von einem „Prozess der Entscheidungsfindung“, an dessen Ende gleichwohl eine „individuelle Entscheidung“ stehen soll. Wer entscheidet denn nun? Die betroffene Person oder ein kirchlicher Vertreter?

Die deutschen Bischöfe greifen positiv die von Papst Franziskus in „Amoris laetita“ vorgenommene Rehabilitierung des katholischen Gewissensbegriffs auf. In den wirklich wichtigen Entscheidungen gilt das Gewissen, das weder durch normative Vorgaben Dritter noch durch ein vorgängiges amtliches Einverständnis konditioniert und eingeschränkt werden kann. Von daher verzichten die Bischöfe an dieser Stelle auf die Betrachtung von Einzelfällen. Am Ende sagt auch das Kirchenrecht in Canon 916 CIC, dass jeder Katholik, der zur Kommunion hinzutreten möchte, sich prüfen muss, ob er in rechter Weise disponiert ist. Dies kann ihm kein Priester und kein Bischof abnehmen, dies ist eine ureigene Entscheidung eines jeden Gläubigen.

Ist denn kirchenrechtlich nun genug geregelt, was die Zulassung zu den Sakramenten angeht?

Der Sachverhalt ist bereits abschließend mit dem bisherigen Canon 915 CIC geregelt, den der Papst auch nicht geändert hat. In der Praxis wird der jeweilige Kommunionspender entscheiden, wie sehr er der gewissenhaften Entscheidung derjenigen traut, die vor ihm die Heilige Kommunion erbitten. Ich schließe nicht aus, dass es hier trotz „Amoris Laetita“ und dem Schreiben der deutschen Bischöfe weiterhin zu unterschiedlichen Verhaltensweisen vor Ort kommt.

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