Pfarrer Ludger Kaulig über die 100 Jahre alte St.-Josef-Kirche

So feiern die Ahlener den wohl teuersten Kirchbau im Bistum Münster

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42 Millionen Mark kostete der Bau der St.-Josef-Kirche an der Zeche Westfalen in Ahlen. Es war der teuerste Bau der Stadt und vermutlich auch der teuerste Kirchbau im Bistum Münster. Das Inflationsjahr 1923 ließ die Baukosten explodieren und das Geld entwerten. Die Zeche Westfalen ist längst geschlossen, die Gemeinde aber ist bis heute ein aktiver Teil der Stadtpfarrei St. Bartholomäus. Wie die Gemeinde das Jubiläum feiert und was aus der Kirche St. Josef werden soll, verrät im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ der leitende Pfarrer Ludger Kaulig.

Herr Kaulig, St. Josef in Ahlen feiert das 100-jährige Kirchenjubiläum in einer Zeit, in der die negativen Schlagzeilen über die katholische Kirche in Deutschland nicht abreißen, wenn man wie zuletzt an die Missbrauchsstudie des Erzbistums Freiburg denkt. Wie kann man trotzdem ein Kirchenjubiläum feiern?

Es geht schließlich um 100 Jahre, in denen Christinnen und Christen – und ich unterscheide jetzt ganz bewusst nicht zwischen dem Klerus und allen anderen Gläubigen – Leben miteinander, füreinander und für das ganze Lebensumfeld aus dem Glauben gestaltet haben. Sie haben einander in allen Lebenslagen geholfen, mit dem Evangelium gestärkt, an Lebensknotenpunkten gemeinsam gefeiert. Diese Menschen haben das auch emotional eng mit diesem Gebäude verbunden. Das soll die Verbrechen in der Kirche nicht ausblenden, aber auch nicht komplett von ihnen in den Schatten gestellt werden.

Vor 100 Jahren wurde die Kirche inmitten einer Bergarbeitersiedlung gebaut, um Menschen eine geistliche Heimat zu bieten. Wie kann heute Kirche eine Heimat für die Menschen sein?

Die St.-Josef-Kirche in Ahlen entstand inmitten einer Zechenkolonie. | Foto: privat
Die St.-Josef-Kirche in Ahlen entstand inmitten einer Zechenkolonie. | Foto: privat

Die Menschen, die damals nach Ahlen zogen, hatten eine recht klare Vorstellung von dem, was für sie Heimat, auch geistliche Heimat sein sollte, haben das gelebt und eigene Formen der Frömmigkeit etwa aus Polen mitgebracht. Das ist nun nicht mehr so klar: Was heißt „Heimat“ in einer hochmobilen Gesellschaft, in der sogar die nächsten Verwandten durchaus über die ganze Welt verteilt leben können? Wie bin ich geistlich bei Gott zuhause und welche Rolle spielt dabei die Gemeinschaft der Gläubigen? Dann erst kann die Frage beantwortet werden: Welche Strukturen, welche institutionellen Ressourcen sind dafür hilfreich? Ich denke, wir sind da insgesamt in einer großen Suchbewegung – nicht nur in der Kirche.

Die immer größer gewordenen Pfarreien ringen um den Fortbestand ihrer Kirchorte. Was macht den Standort St. Josef aus? Welche Pläne haben Sie für diesen Gemeindeteil?

Gerade an diesem Ort, der von der Zeche und dann von der Zechenschließung geprägt ist, hat sich die Gemeinde besonders engagiert für die Menschen in unterschiedlichen, auch schwierigen Lebenslagen. Wir planen, die Kirche zum Teil zu einem pastoral-karitativen Zentrum zu machen. Das Gebäude würde dann verschiedene Aufgaben erfüllen: Ein Bereich wäre sicher weiterhin für den Gottesdienst reserviert. Ein weiterer Teil der Kirche würde flexibel gestaltet, könnte wahlweise ebenfalls für den Gottesdienst oder als Saal verwendet werden. Der könnte bei Bedarf auch mit dem Eingangsbereich, dem sogenannten „Paradies“, verbunden werden.

Bleibt die Kirche ein Treffpunkt für die Gemeinde?

Pfarrer Ludger Kaulig leitet die Pfarrei St. Bartholomäus in Ahlen. | Foto: Johannes Bernard
Pfarrer Ludger Kaulig leitet die Pfarrei St. Bartholomäus in Ahlen. | Foto: Johannes Bernard

Wir denken darüber nach, dort eine Form der Gastronomie einzurichten. Sie wäre nicht nur für Menschen gedacht, die eine kostengünstige warme Mahlzeit brauchen, sondern vor allem für all jene, die Gemeinschaft suchen. Der Gedanke, Gemeinschaft zu fördern, nimmt auch die Form eines Wohnprojekts an, das neben der Kirche entstehen soll. Das Ganze wird ergänzt durch Warenkorb, Kleiderkammer, offenes Ohr, Dienste und Büros der Caritas.

Zur Geschichte des Kirchbaus in Ahlen
Am 6. Mai 1923 war es endlich so weit: Kaum ein Jahr nach der Grundsteinlegung wurde die St.-Josef-Kirche durch den damaligen Bischof von Münster, Johannes Poggenpohl, feierlich geweiht. Damit ging für die katholischen Gläubigen im Ostenstadtteil, der nach dem Abteufen der Zeche Westfalen rasant gewachsen war, ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung und zugleich ein Provisorium zu Ende. Zuvor hatten sie ihre Gottesdienste im Schwesternhaus vom Orden „Unserer Lieben Frau“ an der Schachtstraße gefeiert. Der Bau in der sogenannten „Kolonie“ sollte – auf dem Höhepunkt der Inflation – unvorstellbare 42 Millionen Mark verschlingen. Schon damals war „Old Joe“ eine überaus aktive Gemeinde. Kaum waren im März 1922 die Arbeiten vergeben worden, „entwickelte sich auf dem Bauplatz reges Leben“, heißt es in der Chronik von St. Josef. „Mancher katholischer Arbeiter“, so wird berichtet, „opferte seine freien Stunden, um unentgeltlich bei den Ausschachtungsarbeiten behilflich zu sein.“

Festwoche zum Kirchenjubiläum
Die Festwoche rund um St. Josef in Ahlen startet am 6. Mai um 17 Uhr mit Konzert des Chors Querbeet. Der Chor feiert gleichzeitig sein 25-jähriges Bestehen. Der Jubiläumsgottesdienst ist am 7. Mai um 11 Uhr. Den Abschluss der Festwoche bildet ein Familiengottesdienst am 14. Mai um 11 Uhr mit anschließendem Pfarrfest.

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