Geflohenes Ehepaar lebt seit einem Jahr am Niederrhein

So feiern Syrer aus Aleppo Heiligabend in Xanten

Geflohen aus der syrischen Kriegsstadt Aleppo leben Valley und Antoine seit Weihnachten 2015 in Xanten. Am Fest denken beide wehmütig an ihre Familien.

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Sie haben weihnachtlich geschmückt: In der Ecke ihres etwa 25 Quadratmeter großen Wohn- und Schlafzimmers steht ein Tannenbäumchen aus Kunststoffnadeln. Er ist mit farbigen Kugeln und einigen Strohsternen dekoriert. Mit einem wehmütigen Blick schaut das junge Ehepaar auf den Baum. Es ist schon das zweite Weihnachtsfest, das Valley Hamsi und Antoine Hallag in Xanten und damit in der Fremde feiern. Denn die beiden 27-jährigen Ingenieure sind kurz vor Weihnachten 2015 aus der syrischen Stadt Aleppo an den Niederrhein geflohen.

 

Heftige Bombardierung

 

Wer sich nach dem Grund der Flucht fragt, muss nur die Berichterstattung im Fernsehen beobachten. Das Bombardement russischer Flugzeuge und das Vorrücken der syrischen Armee in Aleppo haben zu einer bedrohlichen Situation für die Zivilbevölkerung geführt.

Die Kinder in Aleppo leiden am meisten. Mit nackten Füßen sitzen sie zwischen den Trümmern und haben oft nicht das Notwendige, um zu Überleben. Und die Familien wissen nicht, wie sie den tödlichen Gefechten in der Stadt entkommen sollen.

Das haben auch Valley und Antoine im Hinterkopf. Sie mussten ihre Familien in der syrischen Stadt zurücklassen. Beide machen sich große Sorgen um ihre Eltern und die übrigen Familienmitglieder. „Aleppo ist in zwei Herrschaftsgebiete unterteilt. Jeder bombardiert den anderen“, beschreibt Antoine die Lage. Seine Familie lebt in dem von den syrischen Regierungstruppen beherrschten Gebiet. Als Christen wären sie in dem von der Al-Nusra-Front dominierten Teil nicht sicher. „Gott sei Dank ist den Familien bisher nichts passiert“, sagen beide.

 

Ausgelassene Stimmung

 

Jetzt, unmittelbar vor Weihnachten, werden die Erinnerungen an die Heimat und die Familie noch einmal sehr stark. Ist Weihnachten in Deutschland ein Fest der Familie, trifft das in einer viel stärkeren Weise auf die Christen im Nahen Osten zu. „In Aleppo haben sich zum Fest alle Familien getroffen. Jeder hat für die anderen Familienmitglieder Geschenke mitgebracht, vor allem für die Kinder“, beschreibt Antoine die Atmosphäre. „Es herrschte eine ausgelassene Stimmung unter den Christen. In der Nacht gingen die Jugendlichen in die Kirche und am frühen Morgen die Erwachsenen. Danach begann eine große Weihnachtsparty.“

In der Woche nach dem 24. Dezember wurden nach den Erzählungen des Ehepaars viele Konzerte veranstaltet. Ob Konzerte oder Partys – diese Veranstaltungen waren Ausdruck der Freude. „Wir haben viele Konfessionen in Syrien“, erklärt Antoine. „Römisch-katholische, armenisch-katholische, armenisch-orthodoxe oder griechisch-orthodoxe Christen“, zählt er einige der großen Konfessionen auf. „An Weihnachten feiern wir gemeinsam die Geburt Christi.“

Das Ehepaar ist das beste Beispiel: Valley ist orthodoxe Christin und Antoine ist Katholik. „Wir fühlen uns in diesen Tagen im Glauben vereint und feiern das auch gemeinsam“, sagen sie.

 

Traditionen in Aleppo

 

Jeden Tag erhielten sie an den Feiertagen in Syrien drei Besuche – manchmal auch mehr. Antoine hebt entschuldigend die Hände. „Wir haben viele Cousinen und Cousins“, sagt er. „Man besucht und beschenkt sich.“ Am 25. Dezember, dem ersten Weihnachtstag, gibt es ein spezielles Essen für die ganze Familie. „Das berühmte Aleppo-Essen“, sagt Valley. Die Grundlage ist Bulgur, ein Hartweizengrieß. Aufgefüllt mit Hackfleisch und Zwiebeln, gewürzt mit Aleppopfeffer – einem scharfen Gewürz. Dazu wird Jabrak gerecht, Weinblätter, mit Reis und Fleisch gefüllt. „Das Essen spielt an Weihnachten eine große Rolle“, erläutert das Ehepaar.

Valley zeigt Bilder auf ihrem Smartphone. Darauf sind bunt geschmückte Weihnachtsbäume zu sehen und riesige Säle, in denen Familien Weihnachten feiern. Nach vier Jahren Bürgerkrieg herrscht weitgehend Armut. „Das macht sich gerade an Weihnachten bemerkbar“, sagt Antoine. In diesen Zeiten werde weniger aufwändig gefeiert.

 

Besuch der Krippe

 

Ohnehin stehe der Besuch der Mette im Mittelpunkt. Auch wenn zahlreiche Kirchen zerstört seien, werde die Familie die Weihnachtsmette besuchen. Aufregend war für das Ehepaar immer der Besuch einer Krippe. In Aleppo gebe es große.

Eine eigene Krippe vermissen sie in Xanten. Die konnten sie sich nicht kaufen. „Viel zu teuer“, sagt Antoine. „Vielleicht nächstes Jahr.“ An Weihnachten werden sie mit Eltern und Geschwistern skypen, um sich ein frohes Fest zu wünschen. Anschließend besuchen sie die Weihnachtsmette im Xantener Dom. „Darauf freuen wir uns.“ Fragt man sie nach ihren Wünschen, gibt es nur einen: Frieden in Syrien.

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