Syrerin und Türkin aus Beelen sammeln Spenden

So geht schnelle Hilfe für die Erdbebengebiete in Syrien und der Türkei

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Sie kamen vor vielen Jahren als Flüchtlinge nach Beelen im östlichen Münsterland: Die Syrerin Nour Abo Hayla und die Türkin Zenzem Yildirim. Die Hilfe für Erdbeben-Opfer in ihrer Heimat ist für sie eine gemeinsame Sache.

Wie nah das katastrophale Erdbeben im Süden der Türkei und im Norden Syriens an die beiden Frauen in Beelen im Ostermünsterland heranrückte, wurde ihnen erst nach und nach bewusst. „Als ich am Montagnachmittag von der Arbeit heimkam, überschlugen sich die Nachrichten, Fotos und Videos in den sozialen Netzwerken“, sagt Nour Abo Hayla. Wenn sie von den Ereignissen berichtet, kann sie ihre Betroffenheit immer noch nicht verbergen. Ihre Stimme stockt, sie hat Gänsehaut. Denn sie spricht von ihrer Heimat, aus der sie vor etwa acht Jahren fliehen musste.

„Ich habe sechs Stunden mit dem Handy auf dem Sofa gesessen und die Zeit völlig vergessen“, sagt sie. Zu massiv waren die Eindrücke, die auf sie einprasselten. Mit ihnen kam die Angst um ihre Verwandtschaft. Die Internetverbindung kam nach dem Beben nur schleppend wieder in Gang. Erst nach einigen Tagen war sicher, dass ihre Familie von schweren Folgen verschont worden war. „Eine Erleichterung, aber keine Entlastung“, sagt Hayla. „Der Schrecken, von dem ich hörte, war einfach viel zu groß, als dass ich hätte abschalten können.“

Geld kommt zuverlässig im Erdbebengebiet an

Sie bekommt ihre Informationen aus erster Hand. Ihr Cousin lebt mitten in der Katastrophen-Region. Sein Haus ist stehengeblieben, eines von wenigen. „Damit sind seine vier Wände Zufluchtsort für viele Familien aus der Nachbarschaft geworden, die kein Dach mehr über dem Kopf haben.“ Er kann ihr unmittelbar berichten, wie die Situation vor Ort ist. „All das ließ mir keine Ruhe – ich musste helfen.“

Also begann sie, Kleidung aus ihrem Schrank auszusortieren, Hygiene-Artikel oder Windeln zu besorgen. Bis ihr Cousin ihr sagte, dass eine Lieferung ins Krisengebiet gar nicht möglich ist. „Die Region ist zu abgeschnitten, die Lkw warten Tage an der Grenze, keiner weiß, ob sie überhaupt am Bestimmungsort ankommen.“ Die einzige Hilfe, die sofort wirke, sei Geld, so der Cousin. Geld für das Lebensnotwendige – für Essen, Wasser, Kleidung. „Nicht für sich, sondern für die Menschen um ihn herum“, sagt Hayla. Wieder ist ihr die Rührung anzusehen. „In der Not denkt nicht jeder nur an sich – die Solidarität ist riesig.“

Pfarrei sammelt für Türkei und Syrien mit

Hayla lagerte ihre Hilfsgüter ein und begann Geld zu sammeln: bei Freunden, bei anderen Migranten aus Syrien, an ihrem Arbeitsplatz im Kindergarten. „Ich habe mich mit der Kita-Leitung und der Pfarrgemeinde St. Johannes Baptist zusammengesetzt, um zu schauen, was wir in Bewegung setzen können.“ Das war eine Menge: Schon in den folgenden Tagen wurde bei Fortbildungen und Versammlungen gesammelt, Waffeln gebacken und verkauft, mit Aushängen zu Spenden aufgerufen.

Die Resonanz war enorm, kleine und große Beträge gingen ein. Ein Vater kam zum Waffelessen, obwohl seine Kinder krank im Bett lagen, um 20 Euro zu spenden. Eine Fußpflegerin erschien, um ihr Trinkgeld der vergangenen Woche abzugeben. Andere warfen Briefumschläge mit kleinen Beträgen ein. „All das geht direkt und ohne große Bürokratie zur Familie meines Cousins“, sagt Hayla. „Da kann ich sicher sein, dass es sofort für die Bedürfnisse der Menschen in Syrien genutzt wird.“

In der Türkei Feldküche ermöglicht

Das ist ihr besonders wichtig: „Natürlich gibt es große Spendenaktionen und Hilfswerke – aber bis diese in den abgelegenen Regionen helfen können, vergeht oft viel Zeit.“ Mit ihrem Cousin hat sie den Vorteil, alle Grenzen und Hürden zu umgehen, und das Geld ohne Verluste rettend einzusetzen.

Mittlerweile macht Hayla gemeinsame Sache mit Zenzem Yildirim, einer Arbeitskollegin aus der Kita. Auch sie flog vor vielen Jahren nach Beelen – aus der Türkei. Ihr Engagement sah anfangs ähnlich aus wie das der Syrerin. Aber auch sie hörte von ihrem Bruder bald, dass Hilfskonvois nicht ankommen würden. Also lagerte sie ebenfalls die gesammelten Sachspenden ein und warb für Geldspenden. Die kamen aus der türkischen Community in Beelen, 900 Euro waren schnell zusammen. „Mein Bruder hat davon eine Feldküche aufgebaut, in der mittlerweile 10.000 Mahlzeiten verteilt wurden.“

Spendenbox beim KFD-Karneval

Jetzt ziehen die beiden Frauen an einem Strang. „Es ist egal, wo das Geld hingeht, ob in die Türkei oder nach Syrien – Hauptsache es kommt da an, wo es gebraucht wird.“ Da sind sich beide Frauen einig. Und so werden sie beim Karneval der Katholischen Frauengemeinschaft (KFD) nicht nur eine Spendenbox aufstellen. Sie werden auch den Hintergrund ihres Projektes erklären und den wichtigen direkten Draht in die Krisenregion vorstellen. Gleiches wird rund um die Gottesdienste in St. Johannes Baptist in Beelen am kommenden Wochenende (18./19. Februar) geschehen, wenn sie selbstgebackene Plätzchen verkaufen.

Sie haben noch viel vor. Mit dem Bürgermeister von Warendorf sind sie im Gespräch, ob sie in der Innenstadt einen Flohmarkt veranstalten können. Ein türkischer Imbiss plant, Döner für ihre Aktion zu verkaufen. Im Pfarrheim in Beelen sollen bei einem Kochabend mit syrischen und türkischen Gerichten Spenden gesammelt werden. „Wir planen das alles auch mittel- und langfristig“, sagt Hayla. „Weil die Not im Erdbebengebiet lange nicht beendet sein wird.“

Emotionale Nähe zur Heimat

Hayla und Yildirim bringen viel Energie ein. Warum? „Weil uns die Bilder im Fernsehen oder im Internet sicher mehr bewegen als andere“, sagt die Syrerin. Es ist ihre Heimat, die sie dort sehen.

Sie kennen die Menschen, die Häuser, die Natur. Und können deshalb besonders intensiv mitfühlen. Sie haben zudem selbst erfahren, was es heißt, hilflos zu sein. „Als ich hierherkam, hatte ich nichts, war fremd und in großer Not“, sagt Yildirim. „Die Beelener haben mir geholfen, dass ich heute selbst eine Beelenerin bin.“ Das sagt auch Hayla: „Wer so etwas erlebt hat, will anderen ähnliches schenken.“

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