Kommission legt 28-seitigen Maßnahmenplan vor

So will das Erzbistum Berlin sexuellen Missbrauch in Zukunft verhindern

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Bei der Aufarbeitung von Missbrauch in der katholischen Kirche geht es auch um die Chefs beschuldigter Geistlicher. Eine Kommission des Erzbistums Berlin legte außer detaillierten Empfehlungen auch eine Bewertung ihrer Fehler vor.

Über ein Jahr nach Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs für das Erzbistum Berlin war es ein mit Spannung erwarteter Termin: Am Dienstag legte eine mit der Auswertung beauftragte Kommission von Bistumsvertretern ihren Abschlussbericht und einen 28-seitigen Maßnahmenplan zur weiteren Aufarbeitung und Prävention von Fällen sexualisierter Gewalt vor. Mehr noch als die sehr detaillierten Vorschläge an die Kirchenleitung stießen die Aussagen über die Rolle derjenigen im Erzbistum auf Interesse, die für den Umgang mit den Missbrauchsfällen verantwortlich waren.

Erzbischof Heiner Koch hatte mögliche Pflichtverletzungen noch lebender Personalverantwortlicher zu einem der Aufträge an die ehrenamtliche Kommission gemacht, in die der Priesterrat und die höchste Laienvertretung jeweils drei Mitglieder gewählt hatten. Das Gremium und die Bistumsleitung wählten fünf Fälle beschuldigter Geistlicher aus dem Anwaltsgutachten zur weiteren Untersuchung aus, die ihnen „besonders dringlich“ erschienen. Es erfolgte dann durch die Kirchenrechtlerin Astrid Kaptijn (Fribourg/Schweiz) und den Kirchenrechtler Wilhelm Rees (Innsbruck) eine Überprüfung.

Pflichtverletzung nicht erkennbar

Deren Ergebnisse wurden nun zu einer zentralen Aussage in der Bilanz der Kommission. In den fünf Fällen warf auch sie den damaligen Personalverantwortlichen unter anderem wegen einer zögerlichen Behandlung der Fälle „eine nicht optimale Arbeitsmoral und unzureichendes Verantwortungsbewusstsein“ vor. Zugleich betonte die Kommission unter Berufung auf die beiden Kirchenjuristen, eine Pflichtverletzung mit Blick auf das Kirchenrecht und die Vorgaben der Deutschen Bischofskonferenz sei in diesen Fällen „nicht zu erkennen“.

Unter den insgesamt 61 Fällen von Priestern seit 1946, die sexualisierter Gewalt an mindestens 121 Minderjährigen beschuldigt wurden, waren es die Fälle 30, 39, 43, 48 und 58 in dem Anwaltsgutachten, das auf der Internetseite des Erzbistums, wenn auch teilweise geschwärzt, veröffentlicht ist.

Kollig schließt disziplinarische Maßnahmen aus

Wie daraus hervorgeht, werden bei diesen Fällen unter anderen in ihren damaligen Funktionen Achim Faber als Voruntersuchungsführer, Stefan Dybowski als Missbrauchsbeauftragter, Hansjörg Günther als Personaldezernent sowie Roland Steinke und Tobias Przytarski als Generalvikare genannt.

Bei der Vorstellung des Kommissions-Berichts betonte der Verwaltungschef des Erzbistums, Generalvikar Manfred Kollig, für sie gebe es „keine Grundlage für weitergehende disziplinarische Maßnahmen“. Zugleich äußerte er jedoch Verständnis dafür, dass Betroffene „denen misstrauen, die bisher als Personalverantwortliche tätig waren“. Deshalb habe Erzbischof Heiner Koch entschieden, dass Personalverantwortliche, die ihrer Verantwortung nicht immer oder nicht umfassend gerecht worden seien, „gegenwärtig und zukünftig weder in Voruntersuchungsverfahren bei Anzeigen von Missbrauch noch in die Bearbeitung von Missbrauchsfällen überhaupt einbezogen werden“.

Ethikkommission soll eingerichtet werden

Kollig versprach auch, Erzbischof Koch wolle gemeinsam mit ihm mit den betroffenen damaligen Personalverantwortlichen darüber sprechen, was ihnen angemessen oder geboten erscheine, „um Versäumnisse und Fehler einzugestehen und Verantwortung dafür zu übernehmen“. Zudem machte er sich für die Einrichtung einer Ethikkommission unter anderem für „Fragen von Macht und Beziehung“ stark.

Überdies will Kollig nach eigenem Bekunden gemeinsam mit Erzbischof Koch stärker für Ausbildung und Kontrolle der Personalverantwortlichen sorgen, die mit Missbrauchsfällen befasst sind. „Wo wir zu sehr denen, die Verantwortung hatten, vertraut haben, ohne ihre Arbeit zu kontrollieren oder deren Ergebnisse von Gesprächen und Untersuchungen nochmals kritisch zu hinterfragen, erkennen wir dies als Fehler an“, schlug der Generalvikar sich an die eigene Brust.

Erzbischof würdigt Maßnahmenplan

Den von den Kommissions-Mitgliedern Kristin Wedekind und Pfarrer Johannes Schaaf vorgestellten „Maßnahmenplan“ zur Aufarbeitung und Prävention würdigte Erzbischof Koch als „wichtigen Zwischenschritt“ für die innerkirchliche Aufklärung und Aufarbeitung. „Wir werden alles tun, dass Missbrauch in unserer Kirche keinen Platz findet“, versprach er. An den konkreten Empfehlungen der Kommission unter anderem für eine professionelle Aktenführung und den Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt war der Betroffenenbeirat indes noch nicht beteiligt, wie Wedekind einräumte. Er hatte sich erst später konstituiert.