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Nach dem Terror von Solingen laufen Politik-Forderungen auf Hochtouren. Solingens Oberbürgermeister indes warnt vor Instrumentalisierung. Chefredakteur Markus Nolte fragt: Was ist jetzt der Dienst der Kirche?
Wie ist das jetzt mit der anderen Wange? Nachdem in Solingen Menschen getötet wurden, ein Mann aus Syrien sich als Täter gestellt, der IS sich bekannt hat und wohl Christen und unsere freie, vielfältige Welt treffen wollte, und nachdem rechte Populisten und Medien wie üblich kräftig Blut geleckt haben für ihre rassistischen Hasstiraden – wie ist das jetzt, auch die andere Wange hinhalten?
Genau so. Mit den Leidenden zu leiden, ist jetzt unser Dienst:
Die Getöteten betrauern, die von jetzt auf gleich, willkürlich durch roheste Gewalt aus dem Leben gerissen wurden, gezielt zufällig. Die Verletzten sehen, die ihr Leben lang Wunden an Körper und Seele ertragen müssen, alle Angehörigen kaum minder. Aber auch: Geflüchteten und Muslimen Solidarität erweisen, die durch Islamisten und Rechtspopulisten einmal mehr unter Generalverdacht geraten. Ihr gemeinsames Ziel: Destabilisierung einer freien Gesellschaft.
Gesellschaft aus Schwachen und Verletzlichen
Umso mehr ist unser Dienst: von der Freiheit nicht lassen, von der Vielfalt nicht lassen, von der Liebe nicht lassen. Eine freie Gesellschaft, die entschieden auch aus Schwachen und Verletzlichen, aus „Anderen“ in all ihrer Vielfalt bestehen will, weil sie die Würde jedes Menschen für unantastbar und Frieden als höchstes Gut erachtet, eine solche Gesellschaft erscheint schwach in den Augen vermeintlich starker, weil ausgrenzender Ideologien, angreifbar, verletzbar.
Eine solche Gesellschaft ist gleichwohl da stark, wo sie Vielfalt nicht einfach als putzige Buntheit feiert, sich trotz allem nicht durch Provokationen aller Art davon abbringen lässt, sondern stolz verteidigt und beisammen bleibt.
Das alte Neue des Christentums verpflichtet
Wir leben in einer fundamental bedrohten Welt. Dass jeder Mensch bedingungslos bejaht und Ebenbild Gottes ist – dieses spektakuläre Bekenntnis war zu den Anfangszeiten des Christentums gesellschaftlich keine Selbstverständlichkeit. Und es ist einmal mehr heute, in einer Zeit des sich neigenden Christentums, keine Selbstverständlichkeit.
Umso mehr wäre es gerade an der katholischen Kirche, wirklich Vorreiterin zu sein und Toleranz nicht nur von anderen zu fordern, sondern gefährliche Ausgrenzung in ihren eigenen Grundsätzen endlich abzustellen – sei es die von selbstbewussten Frauen, sei es die von queeren Menschen, beide Gruppen klassische Angriffsziele von Islamisten wie Rechtspopulisten.
Und klar zu regeln: Mit der AfD zu sympathisieren und Christ sein zu wollen, schließt sich aus.