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Die Freiburger Sozialethikerin Ursula Nothelle-Wildfeuer hat für eine breitere Debatte über die Frage nach individueller Freiheit plädiert. „Ich glaube, darum muss immer wieder im gesellschaftlichen Diskurs neu gerungen werden. Und das gelingt uns noch nicht gut – wie die Corona-Krise zeigt, aber auch, als 2015 die Migrationsfrage plötzlich sehr virulent wurde“, sagte sie am Dienstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur in Erfurt. „Da nehmen kleine Gruppierungen plötzlich lautstark für sich in Anspruch zu definieren, was Freiheit ist und für wen sie gilt – und dann sind wir schnell bei Ideologie und beim Populismus.“
Es gehe letztlich darum, wie eine Gesellschaft so resilient werde, dass sie lerne, „mit den unterschiedlichen Vorstellungen von Freiheit und den damit verbundenen Debatten und Krisen unter den Bedingungen der Knappheit und Begrenzungen, wie wir sie momentan vor Augen haben, gut umzugehen und zu leben“. Eine Gesellschaft sei dann zufrieden, „wenn alle ihre Vorstellungen von gelingendem Leben realisieren können“, so Nothelle-Wildfeuer. „Je mehr eine Gesellschaft das dem Einzelnen ermöglicht, desto höher der Zufriedenheitsgrad insgesamt, und dann ist natürlich auch der Zusammenhalt größer – und solch einen zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt brauchen wir, damit Demokratie funktioniert.“
Kirchliche Soziallehre zum Gemeinwohl
In Fragen etwa zum Gemeinwohl habe die Kirche einen Schatz, mit dem sie „wuchern“ könne: „Konkret kann die Soziallehre wichtige Impulse geben, etwa in der Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen, in Fragen nach Sinn und Wert menschlicher Arbeit oder was einen gerechten Lohn ausmacht. Es geht dabei nicht um fertige Konzepte, sondern vor allem um argumentativ gute Punkte“, sagte die Wissenschaftlerin. „Ich denke, damit kann Kirche Impulse in die Gesellschaft geben und auch Gehör finden, weil es schon eine große Sehnsucht gibt, das Leben in all seinen Dimensionen zu gestalten.“
Nothelle-Wildfeuer forscht derzeit als Gastwissenschaftlerin an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Erfurt zum Thema „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“