Die zwölf Monate im Collegium Borromaeum dienen der Orientierung

Sprachenjahr im Priesterseminar in Münster läuft zum ersten Mal

Für ein Jahr leben fünf junge Männer im Priesterseminar in Münster, um Latein, Griechisch und Hebräisch zu studieren. Was sie danach machen, ist noch offen. Die zwölf Monate dienen der grundsätzlichen Orientierung.

 

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Ist das jetzt ein Priesterseminar auf Probe? Bei der Frage müssen sie alle schmunzeln. „Das Priesterleben ist für mich derzeit keine Option“, sagt Hendrik Roos. „Ich habe erst einmal nur ein grundsätzliches Interesse daran“, sagt Florian Knappheide. Und Markus Petersen will zunächst „geistliche Grundlagen und theologisches Grundwissen“ finden, bevor er sich für weitere Schritte entscheidet. Alle drei haben gerade ihr Abitur gemacht und sind für zwölf Monate ins Collegium Borromaeum in Münster gezogen. Sie sind drei von insgesamt fünf Teilnehmern am Sprachenjahr im münsterschen Priesterseminar.

Das wird zum ersten Mal angeboten. Und es wird bewusst mit einer solchen Offenheit für die Perspektiven der jungen Menschen gestaltet. „Wir wollen hier keine neuen Priester rekrutieren“, sagt Ruth Kubina. Sie ist als Theologische Referentin für das Sprachenjahr zuständig. „Das ginge auch gar nicht, denn der Wunsch dazu kann nicht von außen erzeugt werden.“ In den zwölf Monaten soll in ihren Augen vielmehr ein Rahmen entstehen, in dem eigene Vorstellungen und Ziele im Glauben erfahrbar werden. Auch für junge Frauen könnte das so sein, denn das Angebot richtet sich ausdrücklich auch an sie.

 

Interesse an Theologie besteht bei allen

 

Für die Teilnehmer stehen in erster Linie die Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch auf dem Lehrplan. Inhalte, die sie für viele spätere Studiengänge gut gebrauchen können. Für einen natürlich besonders. „Das Interesse für Theologie ist bei allen vorhanden“, sagt Kubina. Aber selbst das ist keine Voraussetzung. Und wenn jemand am Ende merke, dass auch diese Wissenschaft nichts für ihn ist, habe er die Zeit trotzdem nicht nutzlos investiert. Viele Angebote des Jahres gehen über die Sprache und theologische Inhalte hinaus, etwa Sozialpraktika, Berufsorientierung oder Kirchengeschichte.

Ruth Kubina
Die Theologin Ruth Kubina begleitet das Sprachenjahr. | Foto: Michael Bönte

Das hört sich nach einer schönen Rundumversorgung an. Für 400 Euro im Monat gibt es Kost und Logis im Stadtzentrum von Münster, eine zweiwöchige Israelfahrt und viel Unterstützung beim Lernen. Nicht schlecht für den Einstieg in das studentische Leben. Auch bei diesem Vorurteil grinsen die Teilnehmer. „Das ist kein laues Leben hier“, sagt Florian Knappheide. Drei Sprachen, 24 Wochenstunden, individuelles Lernen und der Rhythmus des Seminars mit Essens- und Gebetszeiten sind nicht ohne. Zudem kommt das Sprachenjahr auch nicht ganz ohne Druck daher: An den Semester-enden warten die Sprachprüfungen – auch, um die offiziellen Anerkennungen für die Hochschule zu bekommen. „Freizeit und den Weg zu Angeboten außerhalb des Hauses müssen wir uns bewusst freihalten und suchen“, sagt Knappheide.

 

Kein laues Leben für die Teilnehmer

 

Kein laues Leben, aber ein bereicherndes – das sagen die drei Studierenden. „Wir alle sind hier mit einer gemeinsamen religiösen Grundhaltung“, sagt Markus Petersen. „Das strahlt auf das Gemeinschaftsgefühl aus.“ Nicht nur auf ihre kleine  WG unter dem Dach des Seminars, sondern auch auf die Atmosphäre bei den Theolgiestudenten und angehenden Priestern im ganzen Haus. „Wir alle wollen ja für Glaube und Kirche etwas bewirken“, sagt Hendrik Roos. „Nur die konkreten Vorstellungen dafür unterscheiden sich.“

Für Ruth Kubina ist das der Kern des neuen Angebots. „Sie kommen um zu erleben, wie andere Menschen Glauben leben, sich darüber auszutauschen und ihren eigenen Weg zu finden.“ Was keine einseitige Sache ist. „Das bringt auch einen großen Input für alle anderen hier.“ Für die fünf Sprachen-Studierenden schaffe es vor allem Klarheit, wohin ihr Weg künftig gehen soll. Und wie sie schon sagte: „Es wäre keine Enttäuschung, wenn alle einen anderen Weg wählen würden als die Priesterausbildung.“ Weil eine solche Klärung für alle ein großer, wichtiger Schritt sei.

 

Intensivierung ist möglich

 

Nach den Weihnachtsferien können sie konkreter werden, wenn sie es wollen. Dann können die Teilnehmer neben den Sprachen und anderen Inhalten auch den „Einführungskurs Priesterausbildung“ wählen. Damit würden sie näher an die Idee heranrücken, den Weg zur Weihe einzuschlagen. Florian Knappheide und Markus Petersen können sich das derzeit durchaus vorstellen. Hendrik Roos dagegen hat andere Pläne: „Vielleicht werde ich Pastoralreferent, vielleicht gehe ich in die Bildungsarbeit.“ Auch für diese Wege hätte ihm dieses Jahr dann viel gebracht, sagt er. „Ich habe dann nicht nur Sprachen gelernt, sondern auch geistliches Leben erfahren, andere Ideen und Perspektiven für meinen Glaubensweg  gesammelt.“ Und damit Klarheit für weitere Entscheidungen in der Zukunft.

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