Kaffee und Begegnungen statt Totenstille in Lengerich

Sprechstunde mal anders: Kaplan bietet Treffen auf dem Friedhof an

  • Einmal die Woche gibt es Kaffee auf dem katholischen Friedhof in Lengerich.
  • Kaplan Ernst Willenbrink möchte unkompliziert mit Menschen ins Gespräch kommen.
  • Bei der Grabpflege rücken die Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer, sowie Sinnfragen ganz automatisch ins Bewusstsein.

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„Die Rehe waren wieder da!“ Der Gärtner deutet auf die hinteren Reihen am Rand des Lengericher Friedhofs. „Ach, hier ist jeder willkommen“, sagt Kaplan Ernst Willenbrink scherzend und verspricht, auf geschlossene Tore zu achten, damit Rosen oder Grabschmuck nicht als Tierfutter enden.

Die etwa 5000 Quadratmeter große Fläche hinter dem katholischen Pfarrheim liegt zwischen einem Wäldchen und dem Familienzentrum St. Margareta. Vom angrenzenden Kita-Spielplatz klingt Kinderlachen herüber. Neben dem Eingang, vor den ersten Gräbern hat Willenbrink einen Stehtisch und zwei Stühle aufgebaut: „Es ist praktisch, und die Bänke sind ja schon hier“, sagt er und deutet einladend auf die grünen Sitzkissen.

Einladend und offen soll sich Kirche präsentieren, findet Ernst Willenbrink. Er ist bekannt für seine Aktionen in der Gemeinde Seliger Niels Stensen Lengerich, seien es Besuche bei Jugendlichen, denen er zum 18. Geburtstag gratuliert, oder die Verteilung von 600 Postkarten im angrenzenden Dorf Kattenvenne. In Tecklenburg bringt er auch die Weihnachts- und Osterpost persönlich in alle katholischen Haushalte: „Da kommt man mit vielen Menschen spontan ins Gespräch“, so der 53-Jährige, der 2013 in das Seminar für Spätberufene in Lantershofen eintrat und 2019 zum Priester geweiht wurde.

 

Sinnfragen beim Kaffee klären

 

Ernst Willenbrink möchte da hingehen, wo die Menschen sind, und wenn es nur drei sind, wie an diesem Vormittag auf dem Friedhof: „Die Themen sind ganz unterschiedlich. Der Visitatorenbesuch in Köln, bis zum Fußballspiel kommt alles vor“, so der Kaplan. „Jeder entscheidet selbst, worüber er sprechen möchte.“

Doch die Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer, sowie Sinnfragen rücken ganz automatisch bei der Grabpflege ins Bewusstsein: „Wer auf den Friedhof geht, will seinen Verstorbenen nahe sein, hat oft das Bedürfnis, für einen lieben Menschen etwas zu tun und sich darüber auszutauschen“, sagt Willenbrink.

 

Einmal die Woche für eine Stunde

 

Momentan ist er einmal die Woche vormittags da, für eine Stunde. Ab dem 1. Juli will er abends den Stehtisch aufbauen, mittwochs von 18 bis 19 Uhr: „Dann kommen die Leute zum Gießen, und statt heißem Kaffee gibt’s dann kühles Wasser“, hat sich Willenbrink überlegt. Die Reaktionen auf die Mini-Kaffeebar sind unterschiedlich: „Wenn ich die Leute anspreche, ,möchten Sie einen Kirchen-Kaffee‘, kommt auch mal zurück, ,ich hab doch mit Kirche nichts zu tun, darf ich trotzdem kommen?‘“ Andere schauen eher misstrauisch: „Wenn sie dann mitbekommen, dass es hier einfach ein Getränk und vielleicht ein gutes Gespräch gibt, sind sie durchaus aufgeschlossen“, so Willenbrinks Erfahrung.

Karl-Heinz Ehrenbrink stößt dazu. Der 63-Jährige ist regelmäßig auf dem Friedhof und kümmert sich um das Grab seiner Familie. Zuletzt wurde seine Mutter hier beerdigt, mit 92 Jahren. Ab und an komme doch die Traurigkeit hoch, meint Ehrenbrink. Dann kann er Pause machen, eine Tasse Kaffee „schwarz bitte“, bei Ernst Willenbrink trinken und Kraft tanken zum Weitermachen im Alltag.

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