Interview mit dem ZdK-Präsident über Woelki, Heße und den Synodalen Weg

Sternberg: Der überwiegende Teil der Synodalen will Reformen

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Ab Donnerstag tagt die große Synodalversammlung aller 230 Delegierten bis Samstag in Frankfurt. Die abgelehnten Rücktritte der Erzbischöfe von Köln und Hamburg lassen fragen, wie ernst der Vatikan Reformbestrebungen nimmt. Thomas Sternberg, Präsident des Synodalen Wegs und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, im Interview mit "Kirche-und-Leben.de"

Herr Sternberg, welche Bedeutung hat die Entscheidung des Papstes, dass der umstrittene Kölner Kardinal Woelki im Amt bleibt, für die Versammlung des Synodalen Wegs in diesen Tagen in Frankfurt?

Die Entscheidung des Papstes ist nur schwer nachvollziehbar. Es geht ja hier nicht nur um die Frage nach der Beurteilung eines Verhaltens, das sicher die Visitatoren genau geprüft haben werden. Es geht um einen, wie mir das aus vielen Gesprächen mit Gläubigen des Erzbistums gespiegelt wird, extremen Vertrauensverlust, den man mit einer bloßen Verschiebung in der Hoffnung auf Beruhigung nicht lösen kann. Zumindest müssen jetzt im Bistum intensive Prozesse angestoßen werden, um gemeinsam mit den Gläubigen und ihren Vertretungen zu prüfen, wie wieder ein gedeihliches kirchliches Leben möglich wird. Ein gründlicher Neuanfang wäre aus meiner Sicht die bessere Variante gewesen.

Nach der päpstlichen Ablehnung des Rücktritts des Hamburger Erzbischof Stefan Heße haben sich zwar zwei Vizepräsidentinnen des ZdK sehr kritisch geäußert, von Ihnen war nichts zu lesen. Sind Sie einverstanden, dass Heße Erzbischof von Hamburg bleibt?

Ich kann die Frage, ob der Erzbischof von Hamburg zurecht Bischof bleibt, nicht hinreichend beantworten. Die Zusammenarbeit mit ihm im ZdK war sehr gut, ich habe keine persönlichen Verwerfungen mit ihm. Das Urteil über sein Verhalten als Personalchef des Erzbistums Köln kann ich nicht bewerten, zumal ich mich dafür zu wenig mit den Erkenntnissen der Gercke-Gutachtens beschäftigt habe.

Nun war Erzbischof Heße auch Geistlicher Assistent des ZdK. Man könnte erwarten, dass sich dessen Präsident dafür interessiert, was Heße vorgeworfen wird ...

Wenn ich mich zu einer kritischen Frage nicht äußere, heißt das nicht unbedingt, dass ich mich dafür nicht interessieren würde.

Das heißt, Sie kritisieren die Kritik Ihrer Kolleginnen im Präsidium?

Nein, ich fand es völlig okay, dass sie sich geäußert haben. Ich fand die Formulierung allerdings sehr scharf. Wir arbeiten im Präsidium gut und vertrauensvoll zusammen.

Beim Synodalen Weg soll auf Antrag aus der Bischofskonferenz ausgerechnet ein Grundlagen­papier des Forums über den Umgang mit Macht in der Kirche von der Glaubenskommission der Bischofskonferenz überprüft werden, bevor es weiter im Synodalen Weg besprochen wird. Wie bewerten Sie diesen Vorgang?

Ich wüsste nicht, dass dieser Vorgang irgendwo beschlossen wurde. Das war meines Wissens nicht mehr als ein Vorschlag. Darüber hinaus ist ein solches Vorgehen in der Geschäftsordnung des Synodalen Weges nicht vorgesehen. Im Übrigen sind etliche Beraterinnen und Berater der Kommissionen der Bischofskonferenz zugleich Delegierte des Synodalen Wegs.

Trauen die Bischöfe dem Synodalen Weg doch nicht so recht über den Weg?

Ach, wissen Sie, ich rede ungern von „den“ Bischöfen. Wir sollten uns lösen von einer klerikalen Fixierung auf die Bischöfe – im Positiven wie im Negativen, als käme von ihnen alles Heil oder alles Böse. Ich kenne Bischöfe, die an ihrem Amt leiden, es gibt solche, die sich daran erfreuen, es gibt Bischöfe, die mit einem großen Impuls Reformen wollen – und solche, die das Heil darin sehen zu klammern und zu retten, was zu retten ist.

Manche Bischöfe lassen keinen Zweifel daran, dass die Lehre der Kirche unveränderbar ist. Läuft der Synodale Weg auf einen Eklat zu?

Es amüsiert mich geradezu, wenn ich höre, wir bräuchten nur im Katechismus und im Kirchenrecht nachzuschlagen, dann wüssten wir alles. Dann brauchten wir auch niemals Reformen. Dabei ist doch völlig klar: Es gibt Dinge, die nicht mehr funktionieren, die nicht mehr stimmen. Ich empfehle die Lektüre des Briefes von Papst Franziskus vom 29. Juni 2019. Darin steht: Wir leben nicht nur in einer Zeit der Veränderung, wir leben in einer Zeitenwende, die neue Antworten erfordert. Diese Zeitenwende sollten wir ernst nehmen.

Wie stark sind diese restaurativen Kräfte beim Synodalen Weg?

Es sind zumindest keine zwei Großgruppen, die sich gegen­überstehen. Es ist ein sehr kleiner Kreis von Personen, die meinen, dass überhaupt keine Reformen notwendig sind. Ich weise gern darauf hin, dass die Deutsche Bischofskonferenz einstimmig beschlossen hat, einen solchen Weg gemeinsam mit dem ZdK zu gehen. Einstimmig wurden auch Satzung und Geschäftsordnung angenommen – sowohl von der Bischofskonferenz als auch vom ZdK. Nach wie vor ist der weitaus überwiegende Teil der Synodalen bereit und willens, an solchen Reformen strukturiert mitzuarbeiten – im Wissen darum, dass wir selbstverständlich nicht alles in Deutschland lösen können und wollen.

Was geschieht aber dann mit den Fragen, die nicht in Deutschland gelöst werden können?

Wir haben immer gesagt: Es muss drei Stufen von Voten geben. Zum einen die Voten, die in Deutschland umgesetzt werden können – was übrigens eine ganze Menge ist.

Zum Beispiel?

Von der Finanzverfassung – warum werden die Kirchenbeiträge eigentlich nicht wie früher den Pfarreien überwiesen? – über Synodalstrukturen – Partizipation muss demokratische Umgangsformen beachten. Aber auch der Einsatz von Frauen in Leitungsfunktionen, Umgang mit der Sprache, bis zur Aufnahme von Frauen ins Domkapitel. Dann gibt es sehr viele Voten mit einem weltkirchlichen Vorbehalt. Und es gibt ganz große Fragen, die eines Konzils bedürfen. Eine große Bischofs­synode wird 2023 die zur Synodalität sein. Ich habe die Hoffnung, dass wir etwa das, was wir in unserem Forum I („Macht und Gewaltenteilung“) behandeln, einen Einfluss auf die Debatte bei der Bischofssynode 2023 haben wird.

Wäre es Zeit für ein neues Konzil?

Ich halte es für zu früh, das jetzt schon zu fordern. Konzilien entstehen nicht aus einer Laune heraus. Auch beim Zweiten Vatikanischen Konzil lagen Fragen auf dem Tisch, die dringend einer einheitlichen Lösung bedurften, denken Sie etwa an die Liturgie. Die Grundlagen dazu waren längst vorbereitet, sodass im Konzil auf dieser Basis diskutiert werden konnte. Insofern ist es ganz und gar nicht überflüssig, beim Synodalen Weg Themen zu diskutieren, die wir hier nicht beschließen können.

Wann ist der Synodale Weg für Sie gelungen?

Er ist dann erfolgreich, wenn es uns gelingt, zu überprüfbaren Entscheidungen und Voten zu kommen. Ich bin nicht zufrieden, wenn der Synodale Weg wieder nur als Gesprächsprozess wahrgenommen werden sollte. Ob er erfolgreich sein wird, wird sich auch jetzt schon in Frankfurt zeigen. Wir werden zwar noch keine Texte beschließen, wohl aber die Richtung der Weiterarbeit. Die Abstimmungen in den Foren lassen mich hoffen, dass das gelingt.

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