Anzeige
Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat eine überraschende Entscheidung getroffen: Statt einem prominenten Politiker wählte sie eine noch weitgehend unbekannte Studentin ins Spitzenamt.
Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat die Regensburger Philosophie-Studentin Anna-Nicole Heinrich an ihre Spitze gewählt. Die 25-Jährige setzte sich am Samstag bei der digitalen konstituierenden Sitzung des Kirchenparlaments überraschend gegen die 41-jährige Richterin und Grünen-Politikerin Nadine Bernshausen aus Marburg durch.
Für Heinrich stimmten im ersten Wahlgang 75 Delegierte, für Bernshausen 39 von 128 Delegierten. Sie folgt damit auf Irmgard Schwaetzer (79), die die Synode fast acht Jahre lang geleitet hatte und am Samstag mit viel Dank von den Synodalen verabschiedet wurde.
"Hoffnungsvoll, integrierend, pragmatisch"
Womit die digitale Synode auch eine "digital native" zu ihrer Vorsitzenden machte. Heinrich ist in allen Sozialen Netzwerken präsent, organisierte bereits einen "Hackathon" zur Zukunft der Kirche und spricht ganz selbstverständlich von einer "missionalen Kirche", die aus der "Bubble" (Blase) herauskommen müsse. Auf die Frage, wo sie theologisch stehe, antwortete Heinrich in der Pressekonferenz nach ihrer Wahl dagegen ausweichend: "Ich kann meine theologische Ausrichtung nicht benennen."
Sie sei "von der Gemeinschaft der Jugenddelegierten" in der Kirche geprägt gewesen. Sie habe viel Kontakt zu freikirchlichen Gemeinschaften, schätze unterschiedliche Rituale und Positionen. "Ich möchte und kann mich keinem Spektrum zuordnen." In ihrer Vorstellung hatte sie betont: "Als Präses der EKD-Synode stehe ich für eine hoffnungsvolle, integrierende und pragmatische Kirche, die sich immer wieder neu entdeckt."
Aus eigener Entscheidung getauft
Ihr Geld verdient Anna-Nicole Heinrich am Lehrstuhl für Homiletik und Pastoraltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg. Mit 20 Stunden pro Woche arbeitet sie dort als Wissenschaftliche Hilfskraft. Sie stammt aus einem nichtkirchlichen Elternhaus. Ihre Familie zog nach der Wiedervereinigung von Thüringen nach Oberfranken, wo ihr Vater eine Stelle als Lkw-Fahrer erhielt. Zum Glauben kam sie durch den Religionsunterricht an der Grundschule, als Kind ließ sie sich aus eigener Entscheidung taufen. "Meine Mutter hat sich damals mittaufen lassen, aber nie wirklich Halt in der Kirche gefunden", sagt Heinrich.
Nach ihrer Wahl, die für die Familie ebenso überraschend kam wie für viele Medienvertreter, erhielt Heinrich zahlreiche Gratulationen auch aus ihrem persönlichen Umfeld. Und zollte ihrer Kirche Respekt: "Wie verdammt mutig ist eine Kirche, die eine junge Frau in so ein Amt wählt", sagte Heinrich. Sie wolle sich nun möglichst schnell gründlich in die Aufgaben einarbeiten.
Bedford-Strohm: Frischer Wind
Begeistert zeigte sich der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm: "Anna-Nicole Heinrich gehört zu den jungen Menschen, die konstruktive und wirklich frischen Wind in die Kirche bringende Impulse hatten", sagte er. "Es ist genau der Geist, den ich mir für die Zukunft vorstelle, dass heute eine 25-Jährige zur Präses der Synode gewählt worden ist." Er freue sich auf die Zusammenarbeit von "Heinrich und Heinrich" im kommenden halben Jahr bis zum Ende seiner Amtszeit, so der bayerische Landesbischof.
Die jüngste Präses in der Geschichte der EKD-Synode ist von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in die Synode gewählt worden. Zuvor war sie Jugenddelegierte der 12. Synode der EKD. An der Universität Regensburg studierte sie Philosophie und hat seit 2019 die Masterstudiengänge Digital Humanities und Menschenbild und Werte belegt. Zugleich ist sie stellvertretende Vorsitzende der evangelischen Jugend in Deutschland (aej).
Bätzing: Ansporn für junge Menschen
Auch katholische Vertreter würdigen Heinrichs Wahl als klares Zeichen für das Engagement junger Menschen in der Kirche. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, zeigte sich beeindruckt, dass die 25-Jährige diese Verantwortung übernehme. „Das halte ich für ein gutes Zeichen, wird es doch vielen jungen Menschen Mut und Ansporn sein, sich in der Kirche zu engagieren“, betonte der Limburger Bischof.
Im Sinne eines guten ökumenischen Miteinanders freue er sich auf die Zusammenarbeit und sei fest davon überzeugt, „dass wir die gemeinsamen Wege, die ja durch das Reformationsgedenken vor vier Jahren eine besondere Prägung erhalten haben, weitergehen werden“. Der bevorstehende Ökumenische Kirchentag werde diese Richtung bestätigen, so Bätzing.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, sagte an die Adresse Heinrichs: „Ihre von Optimismus und Tatkraft zeugende Vorstellungsrede, in der Sie 'für eine hoffnungsvolle, integrierende und pragmatische Kirche' geworben haben, hat mich tief berührt. Sie setzen damit ein deutliches Zeichen für junge Menschen, sich in der Kirche zu engagieren.“