MACHTWECHSEL

Syrien: Hilfswerke und Bundesregierung pochen auf Religionsfreiheit

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Katholische Hilfswerke sehen den Sturz Assads verhalten positiv. Die Bundesregierung pocht auf Religionsfreiheit in Syrien.

Nach dem Sturz von Baschar al-Assad in Syrien beurteilen katholische Hilfswerke die Lage verhalten optimistisch bis skeptisch. Der Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Frank Schwabe (SPD), will Religionsfreiheit zur Bedingung für die Unterstützung der neuen Machthaber machen.

Nach der Einnahme der Hauptstadt Damaskus hatte die islamische HTS-Miliz öffentlich zugesichert, Rechte von Minderheiten zu achten. Gewalt und Diskriminierung werde es nicht geben.

Missio: Rebellen stehen im Fokus der ganzen Welt

„Bisher haben wir keine Nachrichten über Ausschreitungen von Islamisten gegen Christen oder christliche Einrichtungen in Syrien“, sagt die Referentin von Missio für den Nahen Osten, Romina Elbracht, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der HTS-Miliz sei bewusst, dass die ganze Welt auf sie schaue.

Dennoch sei schwer vorauszusagen, ob die Rebellen ihr Bekenntnis zu Vielfalt und Minderheitenschutz einhalten werden: „Wir müssen sie an ihren Taten in den kommenden Wochen und Monaten messen und die Bildung einer Übergangsregierung abwarten.“

Misereor: Wer setzt sich am Ende durch?

Das Hilfswerk Misereor hält eine künftige Bedrohung von Christen in Syrien nicht für ausgeschlossen. „Es hängt alles davon ab, welche Kräfte innerhalb der Anti-Assad-Koalition in Zukunft die Oberhand behalten“, sagt die Syrien-Referentin von Misereor, Karin Bräuer, der KNA.

Sollten Parteienkämpfe zwischen den Milizen ausbrechen, „dann kann es furchtbar werden“. Dann bestehe die Gefahr von Lynchjustiz gegen Anhänger des Assad-Regimes und Übergriffe auf Minderheiten wie die Christen. „Die Islamisten bleiben vorerst eine große Unbekannte.“

Caritas: Wir hoffen auf Zugang für den Wiederaufbau

Caritas international“ äußert sich „vorsichtig hoffnungsvoll“, dass ein echter Neuanfang in Syrien möglich ist. Neben einem raschen Wiederaufbau mit internationaler Hilfe seien der Schutz der Menschenrechte und die Sicherheit der Bevölkerung entscheidend, erklärt die deutsche Hilfsorganisation. Leiter Oliver Müller sagt der KNA: „Nach dem Fall des Assad-Regimes hoffen wir, endlich Zugang zu allen Regionen Syriens zu erhalten, um die dringend benötigten Hilfen auszuweiten“.

Das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ fordert „sowohl die internationale Gemeinschaft als auch die neuen Machthaber in Syrien auf, den Schutz der Grundrechte aller Religionsgemeinschaften sicherzustellen“. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigten, dass die Religionsfreiheit in instabilen Zeiten stark eingeschränkt werden könne.

Regierungs-Experte Schwabe sieht Bedingungen

Der Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Frank Schwabe (SPD), sieht das Gewähren religiöser Vielfalt in Syrien als Bedingung für die Unterstützung einer künftigen Regierung. Er hoffe, dass die neuen Machthaber „daran interessiert sind, internationale Unterstützung zu gewinnen und sich deshalb an gewisse Bedingungen halten“, sagt Schwabe im Kölner „Domradio“.

Auch für deutsche Hilfe brauche es Bedingungen. „Bisher war die deutsche Haltung sehr zurückhaltend. Selbst auf Bitten christlicher Gemeinden in Syrien haben wir weder Hilfsgüter geliefert noch Wiederaufbauprojekte oder Entwicklungszusammenarbeit unterstützt“, sagt Schwabe. „Sollte die neue Führung in Syrien eine positive Entwicklung zeigen, könnten wir unser Engagement ausbauen.“

Franziskaner: Handlungen statt Versprechungen

Der Ordensobere der Franziskaner in Damaskus, Pater Firas Lutfi, sagt der KNA, viele Christen in Syrien seien zwar „besorgt, wer und was nun kommt. Aber sie hoffen, dass etwas Besseres kommt als die vergangene diktatorische Ära.“

Die HTS-Miliz müsse nun ihre Versprechungen gegenüber Minderheiten in die Tat umsetzen: „Handlungen zählen, nicht Versprechungen.“

Papst-Botschafter: Sanktionen aufheben

Der Papst-Botschafter in Syrien, Kardinal Mario Zenari, äußert sich bei „Vatican News“ erleichtert über den bisher weitgehend friedlichen Machtwechsel. Er ruft die Weltgemeinschaft eindringlich auf, Sanktionen gegen das Land aufzuheben, um Wiederaufbau zu ermöglichen: „Der einzige Weg zu einem stabilen Syrien ist Versöhnung. Nur durch Dialog und Zusammenarbeit aller ethnischen und religiösen Gruppen können wir die Wunden des Bürgerkriegs heilen“, so Zenari.

Franziskus selbst ging bisher nur am Rande auf den Umsturz ein. Am Sonntag forderte er Einsatz für einen „Waffenstillstand an allen Kriegsfronten“ zu Weihnachten. Zudem bat er um das Gebet für die „gequälte Ukraine“, den Nahen Osten, Palästina, Israel, Libanon, Myanmar, Sudan, und „jetzt auch Syrien“.

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