Warum es so schwierig ist, neue Ehrenamtliche zu finden

Tafel hofft auf Helfer-Boom – durch Boomer

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Vormittags ehrenamtlich Lebensmittelspenden aus einer Fabrik abholen - wer hat dafür schon Zeit? Die Caritas-Tafel in Friesoythe hofft, dass demnächst die Boomer-Jahrgänge mit anpacken. Auch wenn das neue Fragen aufwirft.

Da ist zum Beispiel Franz Brüggemann. Er sitzt an der Kasse und leitet freitags in Friesoythe im oldenburgischen Kreis Cloppenburg das Team der Essensausgabe. Das geht noch.

Bis vor ein paar Jahren war der großgewachsene Mann noch regelmäßig mit dem Transporter für die Friesoyther Tafel unterwegs, auch mal nach Bremen. „Ich habe Paletten mit Ware rangeholt“, sagt der gelernte Maurer. Bis zu seinem Unfall. „Danach musste ich zurückstecken.“ Er zuckt mit den Schultern. „Ich bin ja auch schon 83.“

Ehrenamt im Ruhestand

Oder Johannes Budde. Er war Bürgermeister in Barßel, einem Nachbarort. Nach dem Eintritt in den Ruhestand hatte er 2007 nach einem Ehrenamt gesucht. Eigentlich wollte er damit zum Ablauf seines „normalen Pensionsalters“ aufhören.

Aber der 73-Jährige sitzt immer noch im Vorstand der Tafel und kümmert sich als Kassenwart um Finanzen, Zuschüsse oder Anträge. Außerdem sei er fast jeden Dienstag bei der Ausgabe in Barßel dabei, sagt er.

Neue Engagierte schwierig zu finden

„Das mit dem Aufhören ist eben ein Problem“, meint Johannes Budde. Er hat die Bitten noch gut im Ohr: „Du kannst das doch wohl noch mal machen.“

Weil es an Nachwuchs fehle. „Es fällt immer schwerer, jemanden zu finden.“ Und zwar nicht nur für die Posten im Vorstand.

200 Menschen helfen - das ist nötig

Insgesamt 200 Helferinnen und Helfer halten die Caritas-Tafel seit ihrer Gründung 2006 am Laufen. Mit 500 vorgepackten Lebensmittelkörben pro Woche unterstützen sie derzeit 1.240 Bedürftige.

Viele fleißige Hände sind nötig, um die Waren abzuholen, zu lagern, zu sortieren und an insgesamt fünf Ausgabestellen zu verteilen. Doch die finden sich immer schwerer. Das wird schon mal zum Problem.

Wenn Ehrenamtliche ausfallen, knirscht es

Denn wenn jemand kurzfristig ausfällt oder ausscheidet, knirscht es im Getriebe. Wie zum Beispiel vor zwei Monaten. „Da haben vier Leute gleichzeitig aufgehört, darunter ein Fahrer und zwei Packer“, erinnert sich Reinhold Looschen, seit fast zwei Jahren Tafel-Vorsitzender. Ein Problem für ein Projekt, das auf eingespielte Abläufe setzt.

Das Loch habe durch zusätzlichen Einsatz der anderen und mittlerweile mit neuen Kräften wieder gefüllt werden können. Als Looschen „Gott sei Dank“ sagt, ist Erleichterung zu hören. Die Situation hat ihm deutlich vor Augen geführt, wie sehr die Sache mit dem Nachwuchs herausfordernd bleibt.

Ehrenamtliche möglichst über Jahre dabei

Auf ein begrenztes Projekt ließen sich Menschen wohl ein, sagt Johannes Budde. „Sie wollen einmal oder eine Zeitlang mithelfen.“ Aber für eine Tafel brauche es kontinuierliche Mitarbeit, am besten über Jahre.

Mehr Menschen wie Bianca Henken wären ideal. Die 50-Jährige gehört seit zwei Jahren zum Team, erledigt donnerstags und freitags die Verwaltungsarbeit, führt Aufnahmegespräche mit neuen Kunden und kommt auch zwischendurch noch.

Doch auch wenn sie es gerne macht und mittlerweile sogar im Vorstand sitzt – andere Gleichaltrige zu gewinnen sei sehr schwierig, sagt sie. Weil die meisten, anders als sie selbst, in Vollzeit arbeiteten.

„Wer hat schon vormittags Zeit?“

Tafeln in Deutschland
Rund 960 Einrichtungen mit 2.000 Ausgabestellen zählen zum Verband der Tafeln in Deutschland. Dort sind rund 60.000 Menschen im Einsatz, davon 90 Prozent ehrenamtlich. Die erste Tafel wurde1993 in Berlin gegründet.

Johannes Budde nickt: „Verständlich. Denn die Hauptarbeitszeit hier ist vormittags.“ Dazu kommt: Manche Einsätze müssen auch mal spontan organisiert werden. Zum Beispiel, wenn Firmen kurzfristig Lebensmittelspenden anbieten.

„Wir suchen deshalb immer Leute. Gerne solche, die gerade in Rente gehen“, sagt Reinhold Looschen, der früher einen Geflügelhandel in Oldenburg hatte.

Damit die Helferinnen und Helfer nicht überfordert würden, würden sie nur alle zwei Wochen für jeweils drei Stunden eingeplant. Der 69-Jährige ist sicher: „Mehr wäre den meisten zu viel.“

Helfende sollen nicht überfordert werden

Wie lange sie dabeibleiben können und wollen, ist eine Frage der Abwägung. „Wir haben viele im Team, die schon älter sind“, sagt Bianca Henken. „Denen wollen wir das Tragen oder lange Fahrten vom Rücken her nicht mehr zumuten.“ Menschen, die fast 80 sind und sagen: „Wir wollen und können das nicht mehr.“

„Aber wir können auf ältere Frauen und Männer auch nicht verzichten“, wirft Johannes Budde ein. Zum Beispiel auf die, die - wie er selbst - früher in Rente gehen können. „Auch nicht auf die 70-Jährigen.“

Hoffnung auf die Boomer-Jahrgänge

Eine Hoffnung sind die Boomer-Jahrgänge, die wachsende Zahl neuer Rentner der kommenden Jahre. Johannes Budde findet: „Aus diesem Bereich müssen wir die Neuen rekrutieren.“

Nicht nur als Fahrer oder Packer oder für die Verteilung der Lebensmittelpakete in den fünf Filialen der Tafel. Sondern auch im Vorstand. „Ich will ja auch nicht die Kasse führen, bis ich 80 bin.“

Die von der Caritas getragene Friesoyther Tafel mit dem Namen „CarLa“ (Caritas-Lebensmittelausgabe) unterstützt wöchentlich 1.240 Personen mit rund 500 Lebensmittelkörben. Pro Woche können sich Bedürftige einen Korb abholen. Jeder Erwachsene zahlt dafür zwei Euro, Kinder 50 Cent. Der Wert der enthaltenen Ware entspricht etwa 30 bis 40 Euro. Insgesamt 200 Helferinnen und Helfer in der Zentrale im Friesoyther Ortsteil Altenoythe und in weiteren vier Ausgabestellen sorgen für den Betrieb des Projekts.

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