Vertreter aus Politik, Kirche und Wirtschaft diskutierten über Zukunft der Landwirtschaft in Münster

Tagung zwischen Tierwohl und Treibhausgasen im Franz-Hitze-Haus

Eigentlich waren sich alle Teilnehmer einig, aber eine konkrete Umsetzung sei nicht mit der Brechstange möglich, sagte Staatssekretär Heinrich Bottermann. Was bleibt von der Klima-Tagung im münsterschen Franz-Hitze-Haus?

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Eine gesellschaftlich akzeptierten Form beim Thema Tierhaltung finden und dennoch die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe sichern, das forderte Staatssekretär Heinrich Bottermann  NRW-Ministerium für Umwelt, auf einer Tagung zum Thema Klimwandel im münsterschen Franz-Hitze-Haus. Drei Tage lang hatten sich am vergangenen Wochenende Landwirte, Vertreter landwirtschaftlicher Berufsverbände, Betriebs-Berater sowie Engagierte in entwicklungspolitischen Organisationen mit der lokalen wie globalen Zukunft der Landwirtschaft im Hinblick auf den spürbaren Klimawandel befasst.

Nur wer Teil des Problems ist, kann auch Teil der Lösung sein,  hieß in der abschließenden Diskussionsrunde, in der Wege hin zu einem Wandel in Produktion, Tierhaltung, Konsum und Politik aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wurden.

 

Bottermann: Produzenten müssen sich an veränderte Bedingungen anpassen

 

Staatssekretär Heinrich Bottermann aus dem NRW-Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, forderte in seinem Impulsreferat einen grundlegenden Wandel in der Gesellschaft: Der Klimawandel sei lokal nicht aufzuhalten. Notwendige Veränderungen im Konsumverhalten aber ebenso wie in der Anpassung an die sich verändernden klimatischen Bedingungen auf Seiten der Produzenten könnten seine Folgen zumindest abmildern.

Tagung
(v.l.) Moderatorin Gertrud Casel, Landwirtschaftskammer-Präsident Karl Werring, Staatssekretär Heinrich Bottermann, Nicole Podlinksi (ZdK) sowie Weihbischof Stefan Zekorn folgten aufmerksam dem Statement von Wilhelm Brüggemann vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband. | Foto: Heike Hänscheid.

So müssten sich angesichts von Wassermangel und Dürre etwa Bewirtschaftungsmaßnahmen ändern und Pflanzen gezüchtet werden, die mit den verschärften Bedingungen besser zurecht kämen. Im Übrigen müssen wir Wege entwickeln, die zu einer gesellschaftlich akzeptierten Form beim Thema Tierhaltung führen und dennoch die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe sichern.

 

Podlinksi: Wir brauchen widerstandsfähige Agrar-Systeme

 

Nicole Podlinksi, die für die ehemalige Bundesministerin Barbara Hendricks, MdB, als Vertreterin des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK) eingesprungen war, zeigte sich zufrieden, dass die Sorge der Landwirte langsam bei der Politik angekommen sei. Wir brauchen resiliente, also widerstandsfähige Agrar-Systeme, sagte Podlinski, die auch Bundesvorsitzende der Katholischen Landvolkbewegung ist. Sie legte den Teilnehmenden den Diskussionsimpuls des ZdK  Für eine nachhaltige und gerechte Landwirtschaft ans Herz, der anlässlich der Reform der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) entstanden war. Der Zusammenhalt Europas ist hier ganz wichtig.

Der Präsident der Landwirtschaftskammer NRW, Karl Werring, hob ebenso wie Wilhelm Brüggemann, Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, die konkreten Bemühungen der Erzeuger hervor, sich als lokale Landwirtschaft um Nachhaltigkeit, Ökologie und Qualitätsanforderungen zu bemühen. Die Landwirtschaftskammer und ihr Versuchswesen kann zeigen, was geht, so Werring etwa zu neuen Stallkonzepten. Wilhelm Brüggemeier lenkte den Blick auch auf globale Nachhaltigkeit: Die Landwirtschaft muss bald für zehn Milliarden Menschen auf der Welt die Ernährung sicherstellen, sagte er. Kriegerische Konflikte zerstörten derweil die Grundlagen der lokalen Produktion in vielen Ländern und führten auch deshalb zu Flucht und Migration.

 

Zekorn: Wie kommen wir weg von konsumorientierter Landwirtschaft?

 

Die Sicht der Kirche brachte Münsters Weihbischof Stefan Zekorn in die Diskussion ein. Wie im morgendlichen Gottesdienst, so plädierte er auch auf dem Podium für Bewusstseinswandel auf allen Ebenen: Wie kommen wir weg von konsumorientierter Landwirtschaft? Wo finden wir andere Ideen zur Wertschöpfung?, fragte er und forderte verstärkte Verbraucher-Bildung und Motivierung. Dass der gute Wille zu Tierwohl, auskömmlichem Einkommen für die Landwirtsfamilien und nicht zuletzt zu Qualität allzu häufig an der Supermarktkasse und dem eigenen Portmonee sein abruptes Ende finde, dürfe nicht hingenommen werden. Die Tiefstpreise von Fleisch-Sonderangeboten sind unmoralisch und ruinös, waren sich alle Diskutierenden mit dem Plenum einig.

Staatssekretär Bottermann erläuterte, dass solche Dumpingpreise sehr wohl scharf von der Politik in den Blick genommen würden, aber man vieles eben nicht mit der Brechstange staatlich regeln könne. Alle Podiumsteilnehmer appellierten an die Verbraucher, Kaufentscheidungen bewusster zu treffen. Allerdings verlangten ebenfalls alle, dass Konsumenten Hilfen bei der Warenkennzeichnung - wie bei Eiern schon erfolgreich -, Tierwohl- und Herkunftsnachweisen dringend benötigten. Dass man Endprodukte bewusst ,eindeutscht', das darf nicht sein, mahnte Karl Werring.

 

Eine Lösung: Mehr Verbraucherbildung, schon in Kita und Schule

 

Mehr Verbraucherbildung und Kommunikation, schon in Kita und Schule beginnend, sowie Vermittlung von Alltagskompetenzen wie den Umgang mit Geld, mit Medien und eben auch mit den Nahrungsmitteln forderten alle Beteiligten.

Hinweise auf eine Ethik des Genug sowie das Nachdenken über das biblisch verheißene Leben in Fülle und seine wirkliche Bedeutung jenseits der westlichen Wohlstandsgesellschaften sorgten schließlich für einen weiteren Aspekt im Hinblick auf eine Zukunft, in der viele Zielkonflikte mit Ehrlichkeit und Verantwortung sowie im gesellschaftlichen Dialog durchaus aufgelöst werden könnten.

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