WISSENSCHAFT

Taufboom in Frankreich? Experte zweifelt an Trendwende

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Immer wieder tauchen Daten auf, die ein Ende der Säkularisierung andeuten. Warum Edgar Wunder das anders sieht.

Der Religionssoziologe Edgar Wunder warnt vor zu großen Erwartungen an eine kirchliche Trendwende in Europa. Berichte über steigende Taufzahlen in Frankreich und zunehmende Kirchenbesuche in Großbritannien seien methodisch fragwürdig und würden oft zu falschen Schlüssen führen, sagte er vor kurzem der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung.

Die im April dieses Jahres von der französischen Bischofskonferenz gemeldete Zahl von etwa 18.000 Erwachsenentaufen beruhe lediglich auf Hochrechnungen kleiner Stichproben aus einzelnen Diözesen, so Wunder. Zudem habe sich im Laufe der Jahre verändert, welche Bistümer in die Berechnung einfließen.

Taufquote entscheidend 

Laut des Religionssoziologen sei für die Entwicklung der Kirche nicht die absolute Zahl der Taufen, sondern die Taufquote entscheidend: „Wie viel Prozent der heute z.B. 24-Jährigen wurden im Verlauf ihres bisherigen Lebens getauft (egal ob als Kind oder als junge Erwachsene), sind also prinzipiell Kirchenmitglieder?“ Dabei schneide Deutschland „wesentlich besser“ ab als Frankreich.

Dort könnten die Erwachsenentaufen die „dramatischen Einbrüche“ bei den Säuglings- und Kindertaufen nicht ausgleichen, so Wunder. Die französische Kirche befinde sich daher bezüglich der „Reproduktionsfähigkeit ihrer Mitgliederbasis“ in einer schwierigeren Lage.

Verstoß gegen Standards

Auch an der Studie „The Quiet Revival“ der britischen „Bible Society“ vom April dieses Jahres übt Wunder scharfe Kritik. Diese komme zu dem Schluss, dass der mindestens monatliche Kirchgang in den vergangenen Jahren von acht Prozent (2018) auf zwölf Prozent (2024) zugenommen habe.

Die Studie sei allerdings nicht repräsentativ, da sich Teilnehmer selbst bewerben konnten, so der Religionssoziologe. Das verstoße gegen wissenschaftliche Standards und könne „erhebliche Verzerrungen“ verursachen. Seriöse Besucherzählungen würden einen weiteren Rückgang des Kirchgangs belegen.

Kein Pessimismus

Trotz der ernüchternden Daten sieht Wunder keinen Grund zum Pessimismus: Die Kirche habe „in den letzten 2000 Jahren immer wieder die Fähigkeit bewiesen […], sich an veränderte gesellschaftliche Konstellationen erfolgreich anzupassen.“ Statt sich „an einzelne Zahlen zu klammern“, solle sie lieber an ihrer neuen Gestalt arbeiten, so der Religionssoziologe.

Wunder arbeitet im Referat für Strategische Planung und Wissensmanagement des Kirchenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Als wissenschaftlicher Referent am Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD koordinierte er zuvor die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. An dieser war zum ersten Mal auch die katholische Kirche beteiligt.

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