BIBEL AM SONNTAG (2. So. n. Weihnachten/C)

Pater Thaddäus Vos: Gott spricht ein wehrloses Wort

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“Im Anfang war das Wort”: ein ziemlich anspruchsvolles Evangelium an diesem Sonntag. Benediktinerpater Thaddäus Vos wagt eine Annäherung.

Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“, so schließt der Prolog des Johannes-Evangeliums: Das allmächtige Gotteswort ist vom Himmel herabgestiegen, vom göttlichen Thron, wie es der Eröffnungsvers dieses Sonntags aus dem Buch der Weisheit formuliert, und es ist ein Mensch geworden: Das ist die Botschaft des Weihnachtsfestes, besungen von den Engeln und im Anschluss daran den Gläubigen: „O du fröhliche …“ – und ganz richtig ist es, in jedem Jahr aufs Neue diese Geburt des Gotteswortes in unsere Welt, in unser Leben hinein zu feiern.

Jedoch gibt es da auch noch die andere Seite, eine Seite, die mit der „Kunde“ korrespondiert – mit dem Wort, das uns gebracht wird – und mit dem so vertrauten und doch so oft missverstandenen Bild des Kindleins in der Krippe: Es geht um die Schwäche des Mensch gewordenen Gottessohnes, und damit um seine Zartheit, seine Verletzlichkeit, seine Wehrlosigkeit und sein Ausgesetztsein, denn auch dieser Aspekt gehört ganz wesentlich zum Geheimnis der Menschwerdung, so wie wir es der Offenbarung gemäß begehen – und dies gerade in einer Zeit, in der so viele Menschen weltweit das eigene Ausgesetzt- und Hilflos-Sein auf schreckliche Weise erleiden.

Ein Fehler Gottes?

Die Lesungen vom 2. Sonntag nach Weihnachten / Lesejahr C zum Hören finden Sie hier.

Bei der Geburt Jesu im Dunkel der Nacht, die außer Maria, seiner Mutter und dem Nährvater Josef der Welt – vor dem Gesang der Engel auf den Feldern – vollständig verborgen blieb, war zuerst keine offenbarende Herrlichkeit, sondern Armut und Gefährdung dieses jungen Lebens die wesentliche Größe. Das Wort, das der allmächtige Gott in die Welt hineinspricht, es ist bis heute ein wehrloses, dem nicht nur widersprochen, sondern das auch niedergebrüllt oder einfach überhört wird.

Ist das ein Fehler Gottes? Müsste nicht sein Wort so machtvoll in die Welt schallen, dass es weder überhört noch niedergebrüllt werden kann? Ist es ein Fehler der Menschen, die einfach nicht hinhören wollen oder können, die es nicht aushalten können, dass das Ewige, dass der Ewige in ihr Leben hineinwirkt, sie nicht nur anregt, sondern auch aufregt und von ihnen Veränderung, gar Umkehr fordert? Ist es ein Fehler der Kirche, deren vornehmste Aufgabe es ist, das Wort zu preisen und zu verkünden, und die doch immer wieder nicht die richtigen Worte zu finden scheint?

Im Zeichen der Schwäche

Oder ist es eine Notwendigkeit? Kann es anders sein oder muss vielleicht das Wort, das „allmächtige Gotteswort“ schwach bleiben? Wäre nicht ein unüberhörbares, unwiderlegliches, keinen Widerspruch duldendes Wort eine Auflösung der grundlegenden Lebensaufgabe der Menschen, ja jedes einzelnen Menschen? Uns ist das Wort gegeben, aber nicht als Verfügungsmasse, die funktioniert, sondern als Botschaft, die Antwort sucht und darin dem Menschen die Freiheit lassen muss, in eigener verantwortlicher Entscheidung auch „Nein!“ zu sagen – oder gar nichts.

Und wenn das so ist, dann erschließt sich auch vom Geschehen der Krippe und der Schwäche des Gotteswortes her das ganze Leben Jesu. Er wurde nicht gehört – „die Welt erkannte ihn nicht“; „die Seinen nahmen ihn nicht auf“. Er war zu schwach, um das Reich des Königs David wieder herzustellen; er war zu schwach, um mit seiner Botschaft die Herzen einer wirklich großen Zahl von Menschen zu erreichen; er war zu schwach, sich zur Wehr zu setzen gegen die, die ihn vor Pilatus niederbrüllten und schließlich am Kreuz ermordeten – und wieder: Konnte es anders sein? „Musste nicht der Menschensohn all dies erleiden“, wie der Auferstandene die Jünger auf dem Weg nach Emmaus fragt? Denn im Zeichen dieser Schwäche war das Zeugnis von Tod und Auferstehung, war das Erlösungsgeschehen von Tod und Auferstehung, war der Sieg durch Tod und Auferstehung doch erst möglich.

Unbändige Kraft

Genau darin: in Jesus, in des Wortes äußerer Schwäche, liegt die unbändige Kraft der unendlichen göttlichen Liebe, diese Kraft, alles von innen her zu verändern: Aus dieser Liebe heraus ist Gott Mensch geworden, und so können wir, auch in aller eigenen Schwäche, sagen: Heute – und damit meinen wir nicht diesen 24-Stunden-Tag, sondern das „Jetzt“ des immer kommenden Christus – ist uns der Retter geboren: ein kleines, armseliges Kind. In ihm ist der gekommen, „der am Herzen des Vaters ruht“, um Kunde zu bringen, um das so starke Dunkel aufzureißen durch jenes kleine Licht aus dem Stall von Bethlehem.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 2. Sonntag nach Weihnachten / Lesejahr C finden Sie hier.

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