THEMENWOCHE EINSAMKEIT (3)

Von Wohnprojekt bis Mittagstisch: Wie Kirche Gemeinschaft ermöglicht

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Einsamkeit trifft viele. Drei Beispiele erzählen von Projekten und Aktionen in Pfarrgemeinden und was sie dagegen tun.

Einsam zu sein ist in Deutschland schon lange kein Randphänomen mehr: Betroffen sind Jung und Alt, alle Geschlechter und gesellschaftlichen Gruppen. Das zeigen aktuelle Studien wie das erste deutsche „Einsamkeitsbarometer“. Initiativen und Gruppen im Bistum Münster engagieren sich deshalb schon seit Jahren gegen Einsamkeit. Kirche und Leben stellt drei Projekte vor.

1. Das Mehrgenerationen-Wohnprojekt

„Wir sind hier definitiv nicht einsam“, sagt Claudia Krüger im Gespräch mit Kirche+Leben. Sie wohnt mit ihrem Mann im Norden der Stadt Warendorf im „Emsquartier“. Das ist ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt, in dem 67 Menschen leben.

Eine Gruppe des Katholischen Bildungsforums „Haus der Familie“ hatte 2016 die Idee zum Wohnkonzept für Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Lebensumstände. Auf zwei Erbgrundstücken der Stadt und der katholischen Kirche wurden fünf Häuser mit 32 Wohnungen gebaut. Im Dezember 2022 zogen die ersten Bewohner ein - von Familien mit kleinen Kindern bis zu Seniorinnen und Senioren.

Kinder spielen im Gemeinschaftsgarten

Das Ehepaar Krüger hat viele Jahre im Ruhrgebiet gelebt, erzählen sie. Mittlerweile seien sie im Ruhestand, ihre Kinder längst ausgezogen. Die Tochter wohne mit ihrer Familie in Münster. „Wir wollten im Alter nicht allein sein, darum haben wir uns für dieses Projekt entschieden“, sagt die 68-Jährige.

„Wir kochen zusammen, tanzen, machen Sport“, sagt Krüger. Die Enkelkinder kämen gerne zu Besuch und spielten im Gemeinschaftsgarten. „Wenn ich den Müll rausbringe, sagt mein Mann schonmal: Denk dran, wir wollen in einer halben Stunde essen“, sonst verquatsche er sich mit den Nachbarn, denn „irgendwen trifft man eigentlich immer.“

2. TaFF – Treff für alleinstehende Frauen

„Alleinsein hat immer das gleiche Gesicht“, sagt Kornelia Steinigeweg. Zusammen mit Getrud Runde leitet die 66-Jährige Ibbenbürenerin den „Treff für alleinstehende Frauen 60+ (TaFF)“ der KFD in der Pfarrgemeinde St. Ludwig. Obwohl die Frauen, die sich in der Gruppe treffen, ganz unterschiedliche Lebensumstände hätten, seien viele Erfahrungen mit Einsamkeit ähnlich.

Seit über 15 Jahren treffen sich die Frauen deshalb an jeden dritten Sonntag im Monat, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Sie gehen wandern im Sommer oder Eisstockschießen im Winter, fahren zu Ausstellungen oder gehen Essen. Wichtig dabei ist immer die Zeit zum Austausch. „Wir sprechen auch über schwere Themen“, sagt Getrud Runde. „Wer allein ist, muss sich mit vielem allein auseinandersetzen. Wir haben uns hier untereinander“.

Rückhalt der Gruppe

Gestartet mit zehn bis 15 Frauen, sind es inzwischen über 50 Frauen, die sich regelmäßig engagieren – Religionszugehörigkeit egal. „Die Frauen werden selbstbewusster und stehen mehr dafür ein, was sie brauchen“, sagt Kornelia Steinigeweg. Das gehe mit dem Rückhalt der Gruppe einfacher.

Der erste Schritt zu TaFF kostet die Frauen die meiste Überwindung. Wer sich einmal traue, werde von den anderen Mitgliedern „ein wenig an die Hand genommen“. Häufig bilden sich dann sogar Kontakte und Freundschaften über die Gruppentreffen hinaus.

3. Gemeinsames Mittagessen

Themenwoche Einsamkeit
In dieser aktuellen Themenwoche stehen einsame Menschen im Zentrum. Wir erzählen die Geschichte eines Menschen, geben einen Überblick über Zahlen und Fakten zu Einsamkeit, zeigen an Beispielen, wie kirchliche Einrichtungen Angebote für Alleinstehende machen. Wir geben Tipps für Betroffene und Angehörige. Und erläutern mit einem Blick in die Spiritualität, wie Einsamkeit sogar einen guten Kern haben kann.

Clarissa von Ohnesorge hatte gerade ihr Schwimmen beendet, als sie an einem Schild des Seniorenbüros Münster-Mauritz vorbeikam. Das lud zu einem „Gemeinsamen Mittagessen“ ein. Die 73-Jährige fragte sich kurz, ob sie schon alt genug dafür sei - entschied sich aber hineinzugehen.

Jeden Montag bietet das Seniorenbüro von St. Mauritz ein gemeinsames Mittagessen an – und das ohne Voranmeldung und für jede Altersstufe. Realistisch gesehen liegt der Altersdurchschnitt bei 70 aufwärts. Mit der Spontanität gehe das Seniorenbüro jedes Mal ein finanzielles Risiko ein, sagt Mitarbeiterin Ursula Clewemann. Bisher sei ihnen das aber noch nicht auf die Füße gefallen.

Freunde haben sich gefunden

Bis heute freut sich Clarissa von Ohnesorge, dass sie damals ins Seniorenbüro gegangen ist. Mittlerweile hätten sich richtige Freundesgruppen gebildet. Wenn jemand in der Runde fehle, werde sich danach erkundigt. Das bestätigt Maria Großfeld (85). Vor allem lobt sie die Ehrenamtlichen, die sich „liebevoll“ um alles kümmern: Das Essen abholen und austeilen, Tische decken und abräumen. „Man darf gar nicht mithelfen“, beklagt sie sich lachend.

Das Seniorenbüro bietet noch weitere Angebote für Seniorinnen und Senioren an: Gemeinsam Frühstücken, Stricken, Spielen, sich über Literatur austauschen, Kaffeetrinken und Gymnastik machen. Sogar eine Smartphone- und Tabletsprechstunde können die Senioren wahrnehmen.

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