Renommierter Religionssoziologe lobt Synodalen Weg

Theologe Halik in Prag: Keine Angst vorm Sterben von Kirchenformen

  • Der renommierte Theologe und Soziologe Tomas Halik hat in Prag zu Reformen ermutigt.
  • Das Treffen in Prag ist Teil der Weltsynode, die Papst Franziskus ausgerufen hat.
  • Zudem würdigte Halik das deutsche Reformprojekt Synodaler Weg.

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Für eine Überwindung von Vorurteilen anderer Länder gegen kirchliche Reformideen aus Deutschland spricht sich der Religionsphilosoph Thomas Halik aus. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte der tschechische Priester und Soziologe am Montag in Prag, es gebe das Vorurteil, wonach die deutschen Katholiken zu sehr auf die Veränderung der kirchlichen Institutionen setzten.

Wenn es solche Änderungen geben solle, müssten sie theologisch gründlich vorbereitet sein, erklärte Halik. Auch vor dem letzten Reformkonzil der katholischen Kirche vor 60 Jahren (Zweites Vatikanisches Konzil, 1962-1965) habe es eine ganze Generation von Theologen gebraucht, um die Erneuerung der Kirche vorzubereiten. 

Halik: Synodaler Weg artikuliert scharf wichtige Fragen

Halik warb dafür, die in Deutschland aufgeworfenen Fragen nicht zu tabuisieren, sondern sie öffentlich zu debattieren. Den Versammlungen des deutschen Synodalen Weges bescheinigte er, sie hätten "wichtige Fragen ganz scharf artikuliert".

Das gelte es ernst zu nehmen und es in einen weiteren Kontext zu stellen. In der Symphonie der Synode sei die Kirche in Deutschland eine "wichtige Stimme".

Sexualmoral: Höchste Zeit für neue Anthropologie

Zur Forderung nach einer neuen katholischen Sexualmoral merkte Halik an, es sei "höchste Zeit, dass wir eine neue, tiefere theologische Anthropologie entwickeln". Kirche müsse die neuen Erkenntnisse der Natur- und der Humanwissenschaften ernstnehmen. "

Auch die Sexualität ändert sich in der Geschichte und in den kulturellen Kontexten", betonte der renommierte Wissenschaftler. Die Kirche habe die sexuelle Revolution vor 50 Jahren als einen Schock erlebt und sei in eine bloße Verteidigungshaltung gegangen. Nun müsse sie den Dialog führen, auch mit Vertretern der Gender Studies. 

Plädoyer wider die Angst

Mit einem Plädoyer wider die Angst hatte Halik zuvor beim Auftakt der Kontinentalversammlung in Prag den Delegierten aus 39 Ländern Mut zu Veränderungen in der Kirche gemacht. Halik gab am Montag zu Beginn der Beratungen einen ausführlichen spirituellen Impuls.

Dabei setzte er große Hoffnungen in die "Wiederbelebung des synodalen Charakters der Kirche" in Europa. Halik weitete aber auch den Blick darüber hinaus: Die Hinwendung der Kirche zur Synodalität könnte einen positiven Einfluss auf das Schicksal der gesamten Menschheitsfamilie nehmen.

"Zersetzung des moralischen Klimas"

Der Theologe ging unter anderem auf die "dunkle Seite der Globalisierung" ein. Er sprach von der "Ausbreitung von Gewalt, von den Terroranschlägen auf die Vereinigten Staaten im Jahr 2001 bis zum Staatsterrorismus des russischen Imperialismus und dem aktuellen von Russland begangenen Völkermord in der Ukraine". Er benannte Pandemien, die Umweltzerstörung, aber auch die "Zersetzung des moralischen Klimas durch Populismus, Fake News, Nationalismus, politischen Radikalismus und religiösen Fundamentalismus".

Halik: Hat Christentum genug Energie?

Man befinde sich global in einem entscheidenden Moment, so Halik. Die Hinwendung des Christentums zu Synodalität und eine Umwandlung der Kirche in eine dynamische Gemeinschaft von Pilgern könnten Einfluss auf das Schicksal der gesamten Menschheit haben.

Es stelle sich allerdings die Frage, ob das europäische Christentum heute den Mut und die spirituelle Energie habe, die Bedrohung durch den "Kampf der Kulturen" abzuwenden, indem es den Globalisierungsprozess in einen Prozess von Kommunikation, Teilen und gegenseitiger Bereicherung verwandelt.

Lockdown als prophetische Warnung?

Selbstverständlich sei das allerdings nicht: "Als die durch das Coronavirus ausgelöste Pandemie Kirchen leerte und schloss, habe ich mich gefragt, ob dieser Lockdown nicht eine prophetische Warnung sei. So könnte Europa bald aussehen, wenn unser Christentum nicht wiederbelebt wird; wenn wir nicht verstehen, was der Heilige Geist den Kirchen heute sagt."

Wenn die Kirche zur Verwandlung der Welt beitragen soll, müsse sie selbst ständig verwandelt werden. Die Kirche als Gemeinschaft von Pilgern sei ein lebendiger Organismus.

Halik: Christus kommt durch die Angst

Halik zeigte sich auch überzeugt, dass man keine Angst davor zu haben brauche, "dass einige Formen der Kirche aussterben". In jeder Phase der Kirchengeschichte gelte es, sich in der Kunst der geistlichen Unterscheidung zu üben "und am Baum der Kirche die lebendigen von den vertrockneten und toten Zweigen zu unterscheiden".

Ein wichtiger Teil der christlichen Existenz bestehe in dem Abenteuer, "den lebendigen Christus zu suchen, der in vielen überraschenden Formen - und manchmal anonym - zu uns kommt. Er kommt durch die verschlossene Tür der Angst; wenn wir uns in Angst verschließen, werden wir ihn verpassen."

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