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Migration ist ein zentrales Wahlkampfthema. Der aggressive Ton ist allerdings nicht zielführend, warnt die Münsteraner Sozialethikerin.
Die Münsteraner Theologin und Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins warnt mit Blick auf den Bundestagswahlkampf davor, Migranten zu „Sündenböcken“ für ungelöste Probleme zu machen. „Um Migration werden in der Öffentlichkeit Stellvertreterdebatten geführt“, schreibt Heimbach-Steins in einem Beitrag für das Portal katholisch.de.
„Der aggressive Tenor, in dem das Thema öffentlichkeitswirksam intoniert wird“, sei einer vernünftigen Fortentwicklung der entsprechenden Politikfelder nicht dienlich. „Das Thema Migration wird völlig überbeansprucht, wenn der Eindruck erweckt wird, eine möglichst restriktive Migrationspolitik würde die Probleme des Landes lösen.“
Diskussion oft „zulasten der Menschlichkeit“
Die mit der Migration verbundenen Herausforderungen würden „oft holzschnittartig vereinfacht – zulasten der Menschen und der Menschlichkeit“, so Heimbach-Steins weiter. Es sei eine „krasse Problemverschiebung“, wenn manche den Problemdruck bei Fragen wie etwa der Knappheit von Wohnraum vor allem der Zuwanderung anlasteten: „Dass es in Deutschland viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt, daran sind nicht ‚die Migranten‘ oder ‚die Geflüchteten‘ schuld, sondern eine seit Jahrzehnten politisch fehlgesteuerte Wohnungswirtschaft“.
Migration sei ein weltweites Thema, das allenfalls teilweise auf nationaler Ebene behandelt werden könnte. Sie gehöre „zu den grenzüberschreitenden Phänomenen der globalisierten Welt und sie ist – mindestens in Teilen – selbst eine Folge der globalen Dynamiken, die das Leben der Menschen überall, jedoch mit unterschiedlicher Dramatik, verändern“. Arbeits-, Armuts- und Klimamigration seien oft Ausdruck von Not und Unterdrückung, zeugten jedoch auch von Mut und Widerstandskraft.
Gegen pauschale Verdächtigungen von Migranten
„Ja, es gibt Zugewanderte, die Unruhe und Gewalt stiften. Es gibt Terroristen, und es gibt radikale ideologische Kräfte“, räumte die Theologin ein. Dagegen müsse sich die Gesellschaft mit allen rechtsstaatlichen Mitteln schützen. „Aber eine pauschale Verdächtigung von Migranten und Migrantinnen, vor allem von solchen mit einem muslimischen Hintergrund, missachtet die Menschen, führt in die Irre und spaltet die Gesellschaft.“
Gleichzeitig warnte Heimbach-Steins davor, den Umgang mit Migration auf ein Nutzenkalkül zu reduzieren. Einwanderungspolitik unterliege zwar, anders als etwa humanitäre Hilfe für Kriegsflüchtlinge, zurecht den Interessen des aufnehmenden Staates. Wenn jedoch die Kriterien zu eng geführt würden, leide darunter die gebotene Fairness gegenüber den Menschen, die als Arbeits- und Fachkräfte kommen. Außerdem leide der Zusammenhalt der Gesellschaft, weil die politische Aufgabe der gesamtgesellschaftlichen Integration einer vielfältigen Bevölkerung unterschätzt werde.
Am Umgang mit Migranten entscheide sich, in welcher Gesellschaft die Menschen leben wollen, betont die Theologin. „Wo die Zuwandernden nicht menschenwürdig behandelt werden, steht Humanität als ganze auf dem Spiel. Das sollte auch im Wahlkampf und in den Entscheidungen an der Wahlurne nicht vergessen werden.“