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Die Erfurter Theologin Julia Knop hat begrüßt, dass die deutschen katholischen Bischöfe angesichts des Missbrauchsskandals über Zölibat, priesterliche Lebensform und Macht in der Kirche neu debattieren. Allerdings hätten sie sich dieses Thema nicht selbst ausgesucht, beklagte Knop während eines Studientags der Bischofskonferenz im emsländischen Lingen: „Es handelt sich samt und sonders um Themen, die seit Jahrzehnten auffällig nicht behandelt werden.“ Die Debatte sei nicht gewünscht gewesen, sogar tabuisiert worden: „Ich gehe davon aus, dass einige von Ihnen diese Tradition der Tabuisierung gern fortgeschrieben hätten“, sagt die Dogmatik-Professorin vor den Bischöfen.
Impulsgeber sei indes die 2018 veröffentlichte Missbrauchsstudie im Auftrag der katholischen Bischöfe gewesen. Sie habe „grauenhafte und widerwärtige Untaten von Klerikern in einem Ausmaß ans Licht gebracht, dass die katholische Kirche in Deutschland jeglichen Kredit verloren hat“, sagte Knop. Dabei gehe es um „Gewalt und ihre Vertuschung im Raum und im Namen der Kirche.“
Religiöse Aufladung von Macht liegt in DNA der Kirche
„Sexueller Missbrauch liegt nicht in der DNA der Kirche“ und habe vermutlich auch nicht ursächlich mit dem Zölibat zu tun, sagte Knop laut Redemanuskript vor der Vollversammlung der katholischen deutschen Bischöfe. Sexueller Missbrauch habe auch nichts damit zu tun, dass homosexuelle Männer im katholischen Klerus weit überdurchschnittlich vertreten seien. Mit der DNA der Kirche zu tun habe aber eine religiöse Aufladung von Macht, eine Sakralisierung des Weiheamtes, eine Stilisierung von Gehorsam und Hingabe, eine Dämonisierung von Sexualität und „die Tabuisierung von Homosexualität“.
Die Bischöfe seien bei den Themen Zölibat, priesterliche Lebensform und Macht „nicht Beobachter, sondern Beteiligte“, führte die Theologin aus. Als zölibatspflichtige Kleriker seien sie mit einer enormen Machtfülle ausgestattet, die die kirchliche Glaubens- und Sittenlehre vertreten. „Sie repräsentieren eine Kirche, deren systemische Defekte offenkundig geworden sind“, so Knop. Die Debatte müsse sowohl in der Bischofskonferenz als auch in der ganzen Kirche in Deutschland weiter geführt werden.