Siegerentwurf soll ab Sommer im Kreis Warendorf unterwegs sein

„Tiny Church“: Studierende entwerfen eine Kapelle auf dem Anhänger

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„Tiny Houses“, also mobile Minihäuser, gibt es inzwischen auch in Deutschland. Und eine „Tiny Church“? Eine Pfarrei in Ahlen hat Studierende Entwürfe fertigen lassen - und sie hat auch schon Ideen, wo und wie die mobile Kirche eingesetzt werden könnte.

Die Pfarrei St. Bartholomäus Ahlen will die Kirche zu den Menschen bringen. Wie das geht? Pfarrer Ludger Kaulig hat mit Studenten der Fachhochschule Münster, der „Münster School of Architecture“, die Idee der „rollenden Kirche“ entwickelt. Die „Tiny Church“, zu Deutsch Mini-Kirche, entspringt der US-Idee der „Tiny Houses“, der auch in Deutschland inzwischen angesagten mobilen Minihäuser.

Alles begann bei der Vorbereitung einer Radwallfahrt zu Bildstöcken und Hofkreuzen mit dem Landvolk in Ahlen, die an der Herz-Jesu-Kapelle in der Bauerschaft Borbein endete. Dieses neue Format möchte der Pfarrer in Zukunft fortsetzen. Nur: So viele Kapellen, zu denen man fahren kann, gibt es in Ahlen nicht.

Wie die Idee entstand

Bei einer Zusammenkunft mit Pfarrer Kaulig und seinem Amtsbruder Joseph Thota auf dem Hof des Ortslandwirts habe man einfach mal herumgesponnen. Landwirt Rolf Storkamp machte dann einen Vorschlag: „Ich habe hier einen Tieflader stehen, da kann man eine Kapelle aufladen.“

Der Seelsorger ließ sich die Idee durch den Kopf gehen und kam zum Entschluss, dass es ratsam sei, einen Profi hinzuzuziehen. Denn neben Sicherheitsbelangen müssten auch verkehrstechnische Fragen geklärt werden.

Aufgabe für Studierende

Kaulig schaltete deshalb den Vorhelmer Architekten Matthias Fritzen ein. Der Fachmann stellte im Rahmen eines Lehrauftrags Studentinnen und Studenten, die Minikirchen-Aufgabe als Semesterarbeit. 19 Studierende machten sich an die Arbeit, etwas ganz „Konkretes und Praktisches“ auf dem Reißbrett zu entwerfen“, berichtete Fritzen in der St.-Marien-Kirche in Ahlen, wo die Entwürfe seit kurzem ausgestellt sind. „In solchen Situationen spreche ich ganz gerne vom Heiligen Geist, denn das hat eine Eigendynamik entwickelt, die Dimensionen angenommen hat, die unsere Ideen weit übertroffen haben“, sagt Kaulig.

Die "Tiny Church" darf 7,20 Meter Länge, 2,55 Meter Breite, eine Durchfahrtshöhe von vier Metern und 3,5 Tonnen Gewicht nicht überschreiten. Sie muss auf einem Trailer hinter einen Pkw gehängt werden und mit maximal 80 Stundenkilometern „dorthin fahren, wo die Menschen sind“. Ganz wichtig war, dass man die Minikirche mit Platz für acht bis zehn Personen öffnen kann, damit sich die Gemeinde drumherum versammeln kann.

Elf Entwürfe

Innerhalb kurzer Zeit lagen elf Entwürfe auf dem Tisch, die von einer fünfköpfigen Jury begutachtet wurden. Mit dabei Vertreter des Kirchenvorstands, die Dombaumeisterin und der Diözesanbaumeister. „Wir haben sehr spannende Entwürfe bekommen“, berichtete Matthias Fritzen. Die Studierenden hätten „viel Gehirnschmalz und Herzblut“ in ihre Arbeit gesteckt.

„Erste Sahne“ seien die Ideen gewesen. In einige Arbeiten flossen sogar philosophische und theologische Aspekte ein. In einem Entwurf wird die Entwicklung vom Vergänglichen zum Ewigen durch unterschiedliches Holz symbolisiert.

Einen Turm hat keiner der Entwürfe

Ein anderes Modell hat eine Oberfläche aus schwarzem, verkohlten, witterungsbeständigem Holz. „Du bist das Licht der Welt“, die Notenlinie dieses Kirchenliedes wurde durch Lichtbänder gesetzt, mit den Farben der Gemeinde in den Fenstern.

„Eine Arbeit fällt komplett aus der Reihe“, sagte Fritzen. Denn diese Minikirche erinnert in ihrer ovalen Form an ein Samenkorn, mit einem Dach wie ein Blatt. Gemeinsam ist allen Entwürfen, dass sie keinen Glockenturm haben, einige jedoch eine Orgel. Manko der meisten Modelle war aus Sicht der Jury, dass die Zweckmäßigkeit oft sehr eingeschränkt ist.

Der Siegerentwurf

Siegerentwurf wurde schließlich die Arbeit von Johannes Pietz und Rasmus Ellerhoff. Das Modell hat die Grundform eines Kastens, der noch ein Stück nach oben gezogen ist, also asymmetrisch. Manche Seiten ergeben ein Trapez, sodass man die Idee einer Kirche, die irgendwo eine Spitze oder ein Turm hat, darin erkennen kann.

Die „Tiny Church“ soll komplett aus Holz bestehen. Wenn man reinkommt, steht man in einem großen leeren Raum. Die Bänke und auch der Altar können aus der Wand aus- und wieder eingeklappt werden.

Sponsorensuche für Kosten

Sogar Öllichter können aufgestellt werden. Eine Wand kann für Anlässe, bei denen man draußen steht, nach außen geöffnet werden. Eine Wand ist mit kleinen Fenstern perforiert, die zum Altar hin größer werden und bei Lichteinfall eine mystische Atmosphäre schaffen. Wenn die Sonne scheint, wandert das Licht durch den Innenraum.

Diese Minikirche kommt ohne elektrisches Licht aus. „Der Raum ist sehr flexibel nutzbar, es gibt am wenigsten vor, man kann viel mit ihm machen“, sagt Kaulig. Ein weiteres Argument, das für diesen Entwurf spricht: Es ist wohl die kostengünstigste Variante. Trotzdem stehen Kosten von 50.000 bis 80.000 Euro im Raum, für die der Pfarrer jetzt auf Sponsorensuche geht. Und auch beim Bistum Münster hat er schon wegen einer finanziellen Unterstützung angeklopft.

Im Kreisdekanat Warendorf unterwegs

Matthias Fritzen hofft, dass die "Tiny Church" im Sommer 2023 auf Reisen gehen kann - nicht nur in Ahlen, sondern im Kreisdekanat Warendorf. Und nicht nur bei Radwallfahrten, sondern beispielsweise auch bei anderen Anlässen wie Hochzeiten im Grünen oder Gottesdiensten vor der Haustür von Gemeindemitgliedern.

Pfarrer Kaulig hat für die kommende Zeit eine To-Do-Liste angelegt. Denn es müssen noch einige Probleme gelöst werden, wie die Barrierefreiheit. Und was sagen die Gemeindemitglieder zu der rollenden Kirche? „Ein ganz tolles Projekt“, sagten mehrere.

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