Seelsorger Vytivskyi lässt eigene Bräuche aufleben

Trotz aller Sorgen: So feiern Ukrainer Weihnachten im Bistum Münster

  • Viele ukrainische Geflüchtete feiern dieses Jahr Weihnachten fernab der Heimat – so auch im Bistum Münster.
  • Seelsorger Andrii Vytivskyi greift einige Bräuche aus der Ukraine auf.
  • So wird zum Beispiel zum Weihnachten ein kleines Theaterstück aufgeführt.

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„Wir Ukrainer sind nicht die ersten Migrantenflüchtlinge, die Weihnachten fern der Heimat feiern“, sagt Pfarrer Andrii Vytivskyi und erinnert an die Geburt Christi, die in gewisser Weise auch ein „Weihnachten fern der Heimat“ gewesen sei. Der gebürtige Ukrainer ist seit wenigen Monaten als weiterer Seelsorger für seine nach Münster und ins Münsterland geflohenen Landsleute tätig. Gerade in dieser Zeit werde den Menschen im Exil besonders schmerzlich bewusst, was sie vermissen, denn es ist auch bei ihnen ein zutiefst familiäres Fest.

Dass Andrii Vytivskyi Priester geworden ist, hängt eng mit dem Krieg zusammen, den Russland begonnen hat. Silvester und Weihnachten 2021/2022 hatten seine Frau und er – als griechisch-katholischer Priester darf er heiraten – in der Ukraine zusammen mit Familien und Freunden gefeiert. Kurz nach der Rückkehr der beiden Studierenden ins bayerische Eichstätt begann der Krieg.

Sonntags bis zu 90 Gottesdienstbesucher

„Wir halfen bei der Organisation humanitärer Hilfe und beim Übersetzen für die nach Deutschland Geflüchteten, nahmen auch an Demonstrationen und Gebeten teil. Darüber hinaus habe ich ukrainischen Kindern Deutsch beigebracht, damit sie sich schneller integrieren können“.

Dann kam das Angebot, seinen Landsleuten im Bistum Münster in einer neuen Rolle zu dienen, nämlich als Priester. So wurde er zum Diakon und später zum Priester geweiht und arbeitet nun seit einiger Zeit in Münster und Umgebung. Momentan kommen jeden Sonntag zwischen 60 und 90 Gottesdienstbesucher in die Kirche des Kapuzinerklosters in Münster.

Geschenke zum Nikolaustag

Pfarrer Andrii Vytivskyi | Foto: privat
Pfarrer Andrii Vytivskyi feiert in der Kirche des Kapuzinerklosters in Münster Messe. | Foto: privat

Gerade, wenn man Weihnachten nicht zuhause feiern kann, kreisen viele Gedanken um die Kinder: Wie kann man ihnen ein wenig von den heimatlichen Bräuchen auch „in der Fremde“ lebendig halten? Da es in der Ukraine Geschenke nicht zu Weihnachten, sondern am Nikolaustag gibt, hatte der Heilige Mann in diesem Jahr „genug Arbeit“, bemerkt Andrii Vytivskyi augenzwinkernd – mehr als 50 Kinder hatten sich für das Nikolausfest der Gemeinde angemeldet.

Am Heiligabend werden sich die Familien, soweit möglich bei den Ältesten, also den Groß- oder Urgroßeltern, versammeln. Vytivskyi: „Gemäß unserer Tradition werden dann zwölf Fastengerichte zubereitet, da wir uns durch das Fasten auf das Kommen von Christus, dem Erlöser, vorbereiten. Darüber hinaus gibt es auch eine Tradition, an diesem Tag bis zum Heiligen Abendmahl nichts zu essen als Vorbereitung auf das große Weihnachtswunder.“

Theaterstück zu Weihnachten geplant

Momentan kommen jeden Sonntag zwischen 60 und 90 Gottesdienstbesucher und -besucherinnen in die Kirche des Kapuzinerklosters. | Foto: privat
Momentan kommen jeden Sonntag zwischen 60 und 90 Gottesdienstbesucher in die Kirche des Kapuzinerklosters. | Foto: privat

Das Abendmahl, das dann im Familienkreis als „Hauskirche“ begangen wird, beginnt mit einem Gebet und der Verteilung von „Prosphora“, dem Brot, das in der Liturgie zur Kommunion verwendet wird. „Meine Frau und ich planen, Prosphoren für jede Familie zu backen“, hat sich der Seelsorger vorgenommen. Zu den zwölf festlichen Gerichten gehört „Kutya“, das nur zur Weihnachtszeit aus Weizen, Mohn, Honig, Nüssen, Rosinen und weiteren Zutaten zubereitet wird.

Alle freuen sich stets auch auf Theateraufführungen namens „Wertep“, was so viel wie „Krippe“ heißt und die Geschichte der Geburt Christi in theatralisch-künstlerischer Form nacherzählt. „Wir planen, den diesjährigen Wertep mit den Kindern zu veranstalten und in der Kirche vorzuspielen“, erzählt der Seelsorger. Dennoch sei es angesichts der Sorgen jener, deren Ehemänner, Väter, Söhne oder Brüder an der Front stehen und deren Leben in ständiger Gefahr ist, für niemanden leicht, über Feiern oder Spaß zu sprechen oder auch nur daran zu denken.

Lichtblicke in dunkler Zeit

Doch es gebe auch Lichtblicke, sagt Andrii Vytivskyi und erzählt: „Ein Mann aus Deutschland und eine Frau aus Kroatien kochten für unsere Gemeindemitglieder eine weihnachtliche Quitten-Apfel-Marmelade. Jede Familie konnte ein kleines Glas bekommen. So ein kleines Zeichen der Aufmerksamkeit und Solidarität ließ niemanden unberührt und sorgte für Tränen der Freude und Dankbarkeit. Die Ukrainer fühlen sich hier wohl, soweit es ihnen überhaupt möglich ist, und fast wie zu Hause. Im Alltag werden übrigens die deutschen Familien, in deren Häusern oder Wohnungen Ukrainer leben, liebevoll ‚unsere Deutschen‘ genannt.“

Für den Seelsorger macht das deutlich: „In gewissem Sinne ist ein Teil der Heimat für die Ukrainer auch hier, da Heimat in erster Linie unsere Menschen sind.“

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