Fragen an den Vorsitzenden des Kirchenmusikerverbands im Bistum Münster

„Tut es nicht auch die billigere Digitalorgel, Herr Organist?“

Eine Pfeifenorgel ist Kulturgut – und teuer. Tut es nicht auch die billigere Digitalorgel? Thorsten Schlepphorst, Vorsitzender des Kirchenmusikerverbandes im Bistum Münster, hat im Interview eine klare Meinung.

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Eine Pfeifenorgel ist Kulturgut – und teuer. Tut es nicht auch die billigere Digitalorgel? Thorsten Schlepphorst aus Nordwalde, Vorsitzender des Kirchenmusikerverbands im Bistum Münster, hat eine klare Meinung.

Herr Schlepphorst, im Petersdom in Rom steht seit kurzem eine Digitalorgel. Was halten sie von solchen Orgeln?

Gar nichts.

Und warum?

Sehen Sie, die Kirchenmusik wird dadurch um etwas ganz Wichtiges beraubt: um Emotionen, um das Gefühl. Das ist der entscheidende Aspekt. Oft ist man natürlich fasziniert von der Technik, von der Neuheit. Aber auf Dauer ist eine solche Kirchenmusik einfach nur nervtötend.

Also ist die Technik für Sie das entscheidende Problem.

Nein, die Technik an sich ist gar nicht das Problem. Und ich will die Technik auch nicht verteufeln. Aber man importiert durch eine digitale Orgel einfach eine fremde Orgel in einen anderen Raum. Vielleicht die Orgel einer Kathedrale in Paris in eine kleine Kirche auf dem Land. Orgelmusik aus einer solchen Kathedrale hört sich zu Hause auf dem Kopfhörer sehr schön an. Aber der Gebrauchswert einer solchen Musik lässt sich nicht einfach steuern und überallhin übertragen.

Wieso importiert eine digitale Orgel Musik? Was ist an ihr so neu? Elektronische Orgeln gibt es doch schon lange.

Klar. Im Grunde sind digitale Orgeln auch nicht viel anders. Das Neue an digitalen Orgeln ist: Ihre Klänge werden von richtigen Orgeln gesammelt. Ohne echte Orgel gibt es also auch keine digitale Orgel.

Und das heißt?

Das heißt, dass der Ton jeder einzelnen Pfeife aufgenommen wird. Man hat im Prinzip einen Klang wie aus einer Stereoanlage, wenn man eine CD auflegt. Auf der CD hört man das fertige Stück, das schon ein anderer eingespielt hat. Bei der digitalen Orgel steuert man die fertigen aufgenommenen Töne über die Klaviatur an.

Wenn eine digitale Orgel in die Kirche kommt – steht dann da ein Computer?

Eine digitale Orgel ist wirklich einfach ein Computer, sie wird also von einem Rechner gesteuert, den man programmieren kann.

Wird die technische Qualität der Kirchenmusik vielleicht besser?

Digitalorgel.
Spieltisch einer Digitalorgel. | Foto: Markus Nolte

Die Emotionen, die Musik in uns auslöst, brauchen beides: gute Töne und einen guten Musiker. Ich finde in diesem Zusammenhang bedenkenswert, dass Menschen in Live-Konzerte gehen, obwohl sie davon ausgehen können, dass sie dieselbe Musik zu Hause viel perfekter von der CD hören können. Aber der emotionale Kick, der geht doch von einer Live-Aufführung aus. So ist es auch in der Kirche bei den Gottesdiensten. Da spielen Sie ja auch nicht am ersten Weihnachtstag eine CD mit dem Chorgesang vom letzten Jahr ab.

Kann ein Kirchenbesucher als Laie den Unterschied denn überhaupt hören?

Man muss das so sehen: Musik und Klänge wirken zum größten Teil doch unbewusst. Ein erfahrener Hörer, der wird den Unterschied natürlich sofort merken. Auf lange Sicht wird auch der aufmerksame Laie wahrnehmen, dass die emotionale Komponente eines digitalen Klanges einfach nicht dem echten Orgelklang entspricht.

Sind digitale Orgeln nicht billiger als die handgearbeiteten Pfeifenorgeln? Das wäre ja ein Vorteil.

Na, das rechnet sich jeder so schön, wie er es gern haben möchte. Man kann natürlich alles billiger oder teurer, in guter oder schlechter Qualität kaufen. Sicher ist die erste Anschaffung einer hochwertigen digitalen Orgel nicht so teuer wie der Kauf einer solide gebauten Orgel.

Das ist doch ein großer Vorteil.

Nun, so einfach ist das nicht. Der Computer braucht ja auch Programme. Dazu kommen die Lizenzen – sie dürfen ja nicht einfach den Pfeifenton einer Orgel kopieren, das kostet schon einige tausend Euro. Dann noch die Lautsprecher. Und der Spieltisch selbst kostet natürlich auch Geld. Aber am wichtigsten ist: Wir wissen doch alle, wie rasend schnell gerade im Bereich Computer die Entwicklung vorangeht. Man braucht also regelmäßig Updates. Die Kosten kommen noch dazu. Langlebig ist so eine digitale Orgel ganz bestimmt nicht.

Was heißt langlebig?

Eine gute Orgel sollte mehrere Generationen überdauern. Davon kann man bei einer digitalen Orgel nur träumen.

Stehen wir jetzt vor einem neuen Trend, von der Pfeifenorgel hin zur Computer-Musik in der Kirche?

Ganz klar: Nein. Das Besondere der Musik auf einer echten Orgel lässt sich nicht verdrängen.

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